Reale Therapie in der virtuellen Realität
Was im Gaming-Bereich weit verbreitet ist, hält jetzt auch im Gesundheitsbereich Einzug. Ein Linzer Unternehmen präsentiert beim Forum Alpbach eine Therapiestation, die Patienten in die virtuelle Realität schickt.
Die Kosten im Gesundheitswesen steigen stetig an. Gesellschaftliche und ökonomische Megatrends sind dafür verantwortlich. Während die Bevölkerung immer älter wird und auf externe Pflege und Therapie angewiesen ist, treibt der technische Fortschritt in der Medizin die Kosten noch weiter in die Höhe. Hoffnung auf finanzielle Entlastung bieten Digitalisierungsideen wie algorithmusgestützte Diagnose- und Therapiemethoden, eine wachsende Self-Service-Medizin und die Entwicklung neuer AAL-Systeme.
Ambient Assisted Living (AAL) ist der Fachbegriff für jenen Bereich, der den Alltag von beeinträchtigten Menschen durch moderne Technologie verbessern soll. Die Methoden, Systeme und Produkte, die dabei zur Anwendung kommen, passen sich an die Bedürfnisse des Nutzers an. Derart maßgeschneiderte Assistenzsysteme können Senioren oder Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen dabei unterstützen, ein unabhängiges Leben zu führen und die Gesundheit zu fördern.
VR-Therapiestation beim Forum Alpbach
Beim diesjährigen European Forum Alpbach vom 14. bis 30. August 2019 nimmt der Gesundheitsbereich wieder eine zentrale Rolle ein. Im Rahmen des Philipps Innovation Lab werden im AAL Austria Showroom die neuesten digitalen Assistenzsysteme vorgestellt. Dazu zählt unter anderem die Virtual-Reality-Therapiestation der Linzer Firma Netural, die gemeinsam mit dem Ordensklinikum Linz Elisabethinen präsentiert wird.
VRHealthy heißt das Produkt, das körperliche Aktivität mit dem Erkunden und Steuern von virtuellen Welten verknüpft. Die Lösung besteht aus einem Trainingsgerät, in diesem Fall einem therapieüblichen Ergometer, das mit einer VR-Brille und virtuellen Fahrstrecken gekoppelt ist. Das 360-Grad-Erlebnis ermöglicht Patienten ein emotionales und körperliches Erleben in einer in Echtzeit generierten virtuellen Umgebung.
Radeln in der virtuellen Landschaft
Der Nutzen für Patienten liegt für Netural-Geschäftsführer Stephan Lechner auf der Hand: „Die Bewegung und das Eintauchen in eine virtuelle Realität verschmelzen zu einem Gesamterlebnis. Das macht unglaublich viel Spaß und wirkt motivierend für Jung und Alt. Die erlebte Fahrgeschwindigkeit hängt dabei von der eigenen Tretleistung ab.“ Lechner ist als Chief Technology Officer maßgeblich für die Entwicklung neuer Technologien verantwortlich.
Eingesetzt wird die VR-Trainingsstation bei stationären Aufenthalten, etwa in Reha- und Therapieeinrichtungen, Alten- und Pflegeheimen, aber auch im Rahmen von Betreutem Wohnen. Dort soll es Menschen mit eingeschränktem Bewegungsradius zu gezielter Bewegung motivieren, unabhängig von Ort, Uhrzeit und persönlicher Leistungsfähigkeit. „Bei vielen Krankheitsbildern fördert nachgewiesenermaßen Bewegung die Genesung. Und mit VRHealthy macht Bewegung selbst in Situationen Spaß, in denen man Menschen sonst nur schwer motivieren kann“, so der CTO des eHealth-Developers.
"Mit VRHealthy macht Bewegung selbst in Situationen Spaß, in denen man Menschen sonst nur schwer motivieren kann“, meint Netural-Geschäftsführer Stephan Lechner.
Die Kosten für die Hardware und den laufenden Betrieb seien laut Lechner gering, und die Erstellung der virtuellen Welten könne auf viele Einrichtungen aufgeteilt und so minimiert werden. Erste Ergebnisse sollen den therapeutischen Nutzen bereits belegen, „wenngleich natürlich noch weitere und größer angelegte Tests folgen.“
Teststation im Ordensklinikum Linz
Eine Teststation ist derzeit in der Onkologie-Abteilung im Ordensklinikum Linz Elisabethinen im Einsatz. Leukämie-Patienten haben dort die Möglichkeit, die Station auszuprobieren und werden dabei von Fachpersonal, Ärzten, Pflegern oder Angehörigen begleitet. Die jeweiligen Erfahrungen beim Radeln durch die virtuelle Landschaft werden anschließend an die Entwickler weitergegeben, erklärt Lechner. „Wir fragen dort strukturiertes Feedback ab und lassen dieses dann in unserer Produktentwicklung berücksichtigen.“
Zwar werden dem Benutzer Streckendistanz, Geschwindigkeit, verbrauchte Kalorien und Puls angezeigt, medizinische Daten oder Vitalparameter werden derzeit aber keine gespeichert, versichert der Wirtschaftsinformatiker. Auch wenn der Motivations- und Unterhaltungscharakter des Gerätes derzeit im Vordergrund steht, überlegt man bei Netural eine weitere Ausbaustufe. „Mittelfristig denken wir darüber nach, aus VRHealthy ein medizintechnisches Produkt zu machen“, verrät Lechner.
Netural ist ein Dienstleister für digitale Services mit einem eigenen eHealth-Bereich. Zum Portfolio zählen neben VRHealthy digitale Krankheitstagebücher und Applikationen für Patienten zur medizinischen Datenverwaltung.
Text: Gertraud Gerst; Bilder: Netural

Stephan Lechner, Dr.
Geschäftsführer der Netural GmbH
Lechner ist seit 2008 Chief Technology Officer der Firma Netural GmbH. Zuvor war er vier Jahre als Product Development Manager bei der Firma Farbasoft tätig. Nach seinem Wirtschaftsinformatik-Studium war er noch weitere vier Jahre an der Johannes Kepler Universität Linz als PHD Researcher für Data and Knowledge Engineering beschäftigt.