Rasche Mobilisierung, weniger Schmerzen
Zu den großen Vorteilen der ultraschallgezielten Regionalanästhesie gehören die rasche Mobilisierbarkeit der Patient*innen und die effektive Schmerzkontrolle. Das macht das Verfahren zu einem wichtigen Partner für tagesklinische OPs, Rapid-Recovery-Protokolle und besonders schmerzhafte Eingriffe, berichten Alexandra Strasser und Alexandru Seicean über ihre Erfahrungen im Herz-Jesu Krankenhaus.
Wenn Alexandra Strasser, Oberärztin an der Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, und Alexandru Seicean, Assistenzarzt an ebendieser Abteilung, im Rahmen der Kongresstage Anästhesie & Intensivmedizin 2024 der Vinzenz Gruppe über die Rolle der Regionalanästhesie für Fast-Track-Konzepte, tagesklinische Eingriffe und die Fußchirurgie berichten, tun sie das vor dem Hintergrund umfangreicher Erfahrung. Von den jährlich rund 7.000 orthopädischen Eingriffen im Herz-Jesu Krankenhaus wird bereits etwa ein Drittel tagesklinisch durchgeführt. Und seit Jahren ist bei Hüft- und Knieersatz-OPs erfolgreich ein interdisziplinär erarbeitetes Rapid-Recovery-Protokoll im Einsatz.
Eine zentrale Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung dieser innovativen Strategien ist der breite Einsatz der Ultraschall-gezielten Regionalanästhesie. „Der Ultraschall erhöht die Erfolgsquote der Regionalanästhesie deutlich und hat sie zuverlässiger gemacht“, sagt Alexandra Strasser.
Erfolgsfaktor für die Tagesklinik
All diese Eigenschaften machen Ultraschall-gezielte Blockaden zu einem idealen Partner für tagesklinische Eingriffe. Es gibt drei Hauptursachen, warum Patient*innen nach tagesklinischen Operationen letztlich doch stationär aufgenommen werden müssen, weiß Alexandra Strasser. „Die wichtigste sind Nachblutungen, gefolgt von Übelkeit und unkontrollierbarem Schmerz. Zwei dieser Faktoren – Übelkeit und Schmerz – lassen sich durch den Einsatz von Regionalanästhesie besser als nach einer Allgemeinanästhesie vermeiden.“
Die hervorragende Schmerzkontrolle unter Ultraschall-gezielter Regionalanästhesie trage auch erheblich zur Patient*innenzufriedenheit und -sicherheit bei, sagt Alexandru Seicean, der viel positives Feedback erhält. „Auf Opioide als postoperative Rescue-Medikation kann in aller Regel verzichtet werden, was Nebenwirkungen reduziert und die Sturzgefahr verringert.“ Den Patient*innen werden, falls gewünscht, intraoperativ leichte Sedierungen oder Videobrillen zur Verfügung gestellt.
Wichtige Anwendungsbereiche sind fußchirurgische Eingriffe, berichtet Alexandra Strasser. Das betrifft etwa Hammerzeh-Chirurgie, Morton-Neurome oder Hallux-valgus-Eingriffe. „Hallux-Operationen gehören zu den schmerzhaftesten überhaupt. Dank Ultraschall-gezielter Fußblöcke können sie bei uns trotzdem vorwiegend tagesklinisch durchgeführt werden, weil die postoperative Analgesie ausgezeichnet ist und die Motorik erhalten bleibt.“ Insbesondere bei Fußblockaden zeigt sich ein entscheidender Vorteil moderner Ultraschallgeräte. „So können alle fünf kleinen Nerven des Fußes präzise dargestellt und auch bei anatomischen Lagevariationen selektiv und schonend blockiert werden. Auf Sicht zu arbeiten erhöht die Treffsicherheit und damit die Effektivität der Regionalanästhesie enorm“, sagt Oberärztin Strasser. In den Empfehlungen der europäischen Fachgesellschaft ESRA wird die Regionalanästhesie für Hallux-Operationen im Rahmen eines multimodalen Schmerzkonzeptes klar als erste Wahl in Kombination mit systemischen Steroiden und NSAR genannt.
Wenn Rapid Recovery gelingt
Bei orthopädischen Eingriffen, insbesondere bei Knie- und Hüftersatz-Operationen, gab es einen Paradigmenwechsel, was das optimale postoperative Management betrifft. Lange Zeit galt eine ausgedehnte postoperative Schonung als Standard, was mit zahlreichen Nachteilen wie erhöhtem Thromboserisiko, höherer Infektionsgefahr durch Harnkatheter und dem Risiko weiterer nosokomialer Infektionen verbunden war.
Heute wird auf „Rapid-Recovery-“ oder „Fast-Track“-Konzepte gesetzt, denn die Datenlage zeigt klar, dass bei rascher Mobilisierung der Patient*innen der Outcome deutlich besser ist. „Das ist für den Einsatz der Regionalanästhesie natürlich herausfordernder als die frühere Vorgangsweise“, weiß Alexandru Seicean. „Wir müssen so vorgehen, dass Motorik und Muskelkraft nicht eingeschränkt sind, zugleich ist eine effektive Schmerztherapie erforderlich. In den meisten Fällen können Patient*innen bei uns noch am OP-Tag aufstehen und nach wenigen Tagen schon nach Hause gehen.“ Diese Ziele seien unter Regionalanästhesie gut zu erreichen. Wobei in der Praxis heute auch oft Kombinationen von Allgemein- und Regionalanästhesie eingesetzt werden, berichtet Seicean. „Das kann zum Beispiel bedeuten, dass der Eingriff unter Vollnarkose erfolgt, wir aber für die postoperative Schmerztherapie einen regionalen Block legen.“
Neben dem Nutzen, der sich aus der reduzierten Verweildauer für Patient*innen ergibt, hat dies auch ökonomische Vorteile und erhöht die Operationszahlen, was die Wartezeiten auf Eingriffe reduziert.
Klimafreundliches Verfahren
Wie in allen Bereichen gewinnt auch in Sachen Anästhesieverfahren das Thema Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung, betont Alexandra Strasser. „Hier kann die Regionalanästhesie ebenfalls punkten, weil sie weniger umweltbelastend ist.“ Narkosegase tragen erheblich zu den Treibhausgasemissionen bei, und bei intravenösen Anästhesieverfahren entsteht relativ viel Einwegmaterial, das entsorgt werden muss. „Wenn ich hingegen nur eine Nadel brauche samt der Substanz, hinterlässt das wesentlich weniger ökologische Spuren“, sagt Strasser.
Optimale Rahmenbedingungen
Das Herz-Jesu Krankenhaus hat seit Jahren ein Kompetenzzentrum für ultraschallgezielte Regionalanästhesie und entsprechend auch ein breites Anwendungsspektrum für das Verfahren entwickelt. Wobei die Spezialist*innen auch viel Zeit darauf verwendet haben, an den optimalen Substanzkombinationen zu tüfteln, die jetzt sehr erfolgreich verwendet werden. Interessierten, die das in der Praxis erproben wollen, bietet das Haus übrigens Hospitationen an, um die entwickelten Prozesse und Erfahrungen weiterzugeben.
Dass trotz aller Vorteile nicht in allen Häusern der Regionalanästhesie-Anteil so hoch ist, wie er es sein könnte, habe oft auch mit unzureichender Infrastruktur und Rahmenbedingungen zu tun, meint Alexandra Strasser. „Wenn Patient*innen nicht routinemäßig auch zur Regionalanästhesie aufgeklärt werden, wenn es keine Standards für die Blöcke gibt oder keine dafür reservierten Plätze, ist es natürlich für die Kolleg*innen schwierig, das in Gang zu setzen.“
Es brauche immer einige motivierte Mitarbeiter*innen und die Unterstützung seitens der Führungsebene, um Regionalanästhesie fest im Routineablauf zu etablieren. Die Anästhesiepflege und die chirurgischen Partner*innen ins Boot zu holen, gelinge erfahrungsgemäß gut, weiß Strasser aus Erfahrung, weil die Vorteile und Ergebnisse überzeugend seien. „Es ist die Mühe jedenfalls wert, weil die Erfolge so eine Freude machen.“
Text: Birgit Kofler
Fotos: Herz-Jesu Krankenhaus