Neue Technologien für Kinder mit Diabetes
Die Diabetes-Erkrankungen haben in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Vor allem bei Kindern ist die herkömmliche Therapie oft schwierig. Neue Technologien wie Smarte Insulinpumpen oder Open Apps bringen große Erleichterung im Alltag.
Diabetes mellitus, die chronische Störung des Kohlenhydratstoffwechsels, ist eine globale Epidemie. Über 8 Prozent der Weltbevölkerung leidet derzeit an der Krankheit, Tendenz rasant steigend. Alleine in Österreich stirbt alle 50 Minuten ein Mensch an den Folgen von Diabetes, das sind 10.000 Menschen im Jahr.
An die 30.000 Menschen in Österreich sind vom Typ-1-Diabetes betroffen. Bei dieser Form kann die erkrankte Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr produzieren – das Hormon, das für die Regulation des Blutzuckers verantwortlich ist. Patienten müssen dieses Hormon in Form von Injektionen zuführen.
Zehn und mehr Blutzuckermessungen pro Tag gehören beim konventionellen Selbstmanagement zum Alltag von Menschen mit Diabetes. „Die größte Bedeutung im Umgang mit dieser Krankheit hat die Schulung von Patienten und deren Umfeld“, erläutert Kinderärztin Sylvia Lindauer vom Ordensklinikum Linz. „Sie lernen Signale des Körpers richtig zu deuten und entsprechend darauf zu reagieren. Bei Kleinkindern allerdings ist diese Form der Selbsteinschätzung noch nicht ausreichend vorhanden.“
Glukosesensor und Insulinpumpe
Die jüngste Entwicklung neuer automatisierter Technologien bringt einen großen Fortschritt, sowohl für Erwachsene als auch für Kinder. Eine davon sind kontinuierlich messende Glukosesensoren, sogenannte CGM (engl.: Continuous Glucose Meter). Statt der punktuellen Blutzuckermessung anhand eines Bluttropfens am Finger erfolgt die Messung kontinuierlich über einen Sensor, der im Unterhautfettgewebe sitzt.
„Die Hautmessung hängt dem akuten Wert im Blut eine halbe Stunde hinterher“, erklärt Lindauer. Ein hinterlegter Algorithmus errechnet allerdings aufgrund der Messwerte die Tendenz, wie schnell der Zucker steigt oder fällt. „Diese Art der Messung ist damit der Blutmessung ebenbürtig“, so die Expertin. In Österreich seien bereits 30 bis 50 Prozent aller Kinder und Jugendlicher mit einem CGM ausgestattet.
Ein weiterer Meilenstein im Diabetes-Management ist die Insulinpumpentherapie, die mittlerweile besonders bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes die häufigste Behandlungsform ist. Dabei wird Insulin über ein Gerät kontinuierlich in den Körper abgegeben. Zu den Mahlzeiten ruft der Patient zusätzlich Insulin über die Pumpe ab.
Open Apps zur Fernüberwachung
Auf Patientenebene werden zusätzlich sogenannte Open Apps verwendet, insbesondere von Eltern, die den Blutzuckerspiegel ihrer Kinder aus der Ferne überwachen wollen. Diese von Anwendern entwickelten Mini-Programme, wie zum Beispiel Nightscout, übermitteln die von einem CGM generierten Daten ins Internet und machen sie auf jedem Endgerät abrufbar. Damit können Warnungen über kritische Blutzuckerwerte des Kindes empfangen werden, ohne dass Eltern in unmittelbarer Nähe des Auslesegerätes sein müssen.
„Diese Apps sind als Zusatzinfo ganz toll. Für Familien bringt das einen Kommunikationsvorteil und kann dabei helfen, den Stress im Umgang mit der Krankheit zu senken“, räumt die Kinderärztin ein, „von den Herstellern dieser Apps wird allerdings keine Haftung für die Übermittlung der Daten übernommen." Betroffene sollten sich also nicht allein darauf verlassen.
Smarte Insulinpumpen sind die Zukunft
Seit 2019 steht in Österreich Typ-1-Diabetikern ab sieben Jahren eine Insulinpumpe zur Verfügung, die den Blutzucker sowohl im Über- als auch Unterzuckerbereich korrigiert. Damit sind sie rund 70 Prozent am Tag mit ihrem Blutzuckerspiegel im Zielbereich. Nur zu den Mahlzeiten müssen Patienten weiterhin Insulin dazu spritzen.
„Die Zukunft in der Therapie von Diabetes-Patienten liegt in sogenannten Closed-Loop-Systemen“, sagt Lindauer. Sie funktionieren wie eine künstliche Bauchspeicheldrüse und regeln den Blutzuckerspiegel nach einem hinterlegten Algorithmus. Das Herzstück dieses Systems ist die auf einem Smartphone installierte App, mit deren Hilfe die optimale Menge an Insulin errechnet wird. Die Blutzuckerwerte kommen vom Glukosesensor und werden an die Insulinpumpe weitergegeben, die das Insulin verabreicht.
Im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts KidsAP wird derzeit an der Medizinischen Universität Graz die Weiterentwicklung zum künstlichen Pankreas für 1-7-jährige Kinder getestet. Das Projekt soll in absehbarer Zeit auch für Kleinkinder eine Zulassung für die smarte Insulinpumpe erwirken. „Diese neuen technologischen Entwicklungen helfen uns, durch gute Blutzuckereinstellung künftige Folgeerkrankungen zu vermeiden“, ergänzt Lindauer.
Text: Gertraud Gerst; Bild: Ordensklinikum Linz