"Mit dem Rauchen aufzuhören bringt in jedem Stadium der COPD etwas"
COPD steht für den englischen Begriff Chronic Obstructive Pulmonary Disease, und darin spiegelt sich bereits ein Charakteristikum dieser Volkskrankheit: dauerhaft verengte Atemwege. Nach Herzinfarkt und Schlaganfall ist sie die dritthäufigste Todesursache weltweit. Im Gespräch mit INGO erklärt Christopher Lambers, Leiter der Abteilung Pneumologie am Ordensklinikum Linz Elisabethinen, wie die moderne Präzisionsmedizin das Fortschreiten der unheilbaren Erkrankung hinauszögern kann und warum Früherkennung und Rehabilitation dabei entscheidende Faktoren sind.
Herr Primar Lambers, ist die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, kurz COPD, das, was man früher Raucherlunge nannte?
Christopher Lambers: Richtig, im Prinzip versteht man unter dem Begriff COPD das, was man früher salopp als Raucherlunge bezeichnet hat. Das hängt mit der starken Tabakassoziation dieser Lungenerkrankung zusammen, das Rauchen hat tatsächlich einen signifikanten Einfluss auf ihr Entstehen. Es ist allerdings nicht der einzige, auch berufsassoziierte Noxen können dazu beitragen. Etwa bestimmte Stäube, mit denen manche Arbeiter*innen in Berührung kommen. Und es gibt auch ideopathische COPD-Erkrankungen, wo wir die genaue Ursache nicht kennen.
Was sind die Hauptmerkmale der COPD?
Bei der COPD sind die Atemwege und das Lungengewebe chronisch entzündet und dadurch die Bronchien dauerhaft verengt. Das heißt, die Luft geht hinein, aber nur schwer wieder hinaus. Das führt in vielen Fällen zu einer nicht rückbildungsfähigen Überblähung der Lunge, also einem Lungenemphysem. Dieses muss man jedoch gesondert betrachten, da es auch noch andere Ursachen haben kann. Im weiteren Verlauf der COPD kommt es zur Zerstörung der Lungenstruktur und des Lungengewebes. Die Betroffenen leiden an Auswurf, Husten und Atemnot.
COPD gilt als Volkskrankheit. Nimmt ihr Auftreten zu?
Laut WHO gilt die COPD inzwischen als dritthäufigste Todesursache weltweit und betrifft verhältnismäßig viele Menschen: In Österreich sind es etwa elf Prozent der Bevölkerung. Männer erkranken häufiger daran, das weibliche Geschlecht holt allerdings zunehmend auf. Tendenziell nimmt COPD auch zu, denn wir sehen doch recht hohe Prozentzahlen junger Menschen, die neu in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Tabak einsteigen. Und wir kennen zwar die genauen Mechanismen nicht, die im Verlauf des Krankheitsprozesses die Lunge zerstören, aber die bedeutende Rolle des Rauchens als Ursache steht außer Frage. Bei neuen Inhalationsformen wie E-Zigaretten und so genannten Vaporizern sind die Langzeitfolgen noch gar nicht erforscht. E-Zigaretten nutzen zum Beispiel Liquids, in denen oft Nikotin und andere Schadstoffe enthalten sind. Lungenärzt*innen sehen das eher kritisch.
Als tückisch gilt der schleichende Beginn der Erkrankung …
So ist es. Selbst bei starken Raucher*innen wird die Lunge in jüngeren Jahren meist noch normal aussehen, aber die Schäden sind gesetzt. Sie manifestieren sich halt nur viel später. Wenn man erst einen Arzt oder eine Ärztin aufsucht, nachdem man keine Luft mehr kriegt, ist es aber bereits relativ spät. Dann hat man eine Chance verpasst. Je früher die Erkrankung erkannt wird, desto mehr kann man durch die Behandlung erreichen. Risikogruppen wie Raucher*innen oder Industriearbeiter*innen sollten sich daher auch ohne Symptomatik regelmäßig screenen lassen und leichte Anzeichen ernst nehmen.
"Wenn man erst einen Arzt oder eine Ärztin aufsucht, nachdem man keine Luft mehr kriegt, ist es aber bereits relativ spät."
Bei welchen Anzeichen sollten Menschen wachsam werden und eine Ordination aufsuchen?
Spätestens bei hartnäckigem, wiederholt auftretendem Husten, der sich über längere Zeit hinzieht und von Auswurf begleitet ist, sollte man sich von einem Arzt oder einer Ärztin anschauen lassen. Das gilt auch für Nichtraucher*innen. Gerade wegen des schleichenden Beginns dieser Krankheit darf man solche Symptome keinesfalls ignorieren oder bagatellisieren.
Wie stellt man eine COPD fest?
Das Standard-Werkzeug für eine initiale Diagnose ist ein Lungenfunktionstest. Damit lässt sich eine verminderte Lungenfunktion als Folge verengter Atemwege feststellen und der Schweregrad bestimmen. Je nach Fragestellung kann man auch Bildgebungsverfahren hinzuziehen.
An welche Differenzialdiagnosen sollten Mediziner*innen denken?
Ähnliche Symptome können beispielsweise auch bei Asthma, Lungenkrebs, Bronchoektasien oder einem Lungenemphysem mit anderer Ursache auftreten.
Wie unterscheidet sich COPD von Asthma?
Auch bei Asthma sind die Atemwege chronisch entzündet und verengt, die Ursachen und Auswirkungen sind aber andere. Früher hat man den Hauptunterschied darin gesehen, dass diese Verengung bei COPD irreversibel ist, sich bei Asthma aber durch Medikamente zumindest teilweise auflösen lässt. Inzwischen wissen wir allerdings, dass es bei beiden Erkrankungen unterschiedliche Phänotypen gibt, was die Differenzialdiagnose etwas komplizierter macht. Diese ist aber wichtig, weil die Behandlungsstrategien völlig verschieden sind. Dazu bedarf es einer ausführlichen Anamnese.
Welche Begleiterkrankungen sind häufig?
COPD ist oft mit Herz- und Herzgefäßkrankheiten assoziiert sowie generell mit Erkrankungen des Gefäßsystems. Das hat natürlich auch mit der chronischen Belastung durch Tabakrauch oder sonstige Schadstoffe zu tun. Außerdem gehören Schlaganfälle, Lungenkrebs und diverse andere internistische Krankheiten zu den Komorbiditäten.
COPD ist nicht heilbar. Welche Behandlungsoptionen hat man dennoch und was bewirken sie?
Es gibt zwei Ziele: zum einen die Verlangsamung des Fortschreitens der COPD, zum anderen die Verhinderung von akuten Verschlechterungen, den so genannten Exazerbationen. Eine Exazerbation beschleunigt den Fortschritt der Erkrankung deutlich. Durch inhalative Therapien, die Zweier- oder Dreierkombinationen bestimmter Wirkstoffe enthalten, versucht man ihr Auftreten hintanzuhalten. Die dadurch erzielten positiven Effekte auf die Exazerbationsrate bescheinigen mehrere große Studien. Man kann aber auch in späteren Stadien der COPD noch viel für die Betroffenen tun, indem man die Erkrankung mittels Sauerstofftherapie stabilisiert. Das ist indiziert, wenn der Sauerstoffgehalt im Blut bereits deutlich abgefallen ist. Die Patient*innen können die kleinen Sauerstoffgeräte ganz leicht bei sich tragen, zum Beispiel in einem Rucksack, und sind in ihrer Mobilität keineswegs eingeschränkt.
"Man kann aber auch in späteren Stadien der COPD noch viel für die Betroffenen tun, indem man die Erkrankung mittels Sauerstofftherapie stabilisiert."
Was ist mit der Möglichkeit einer Lungentransplantation?
Eine Lungentransplantation kommt nicht für jede*n infrage, sondern – abhängig von Parametern wie Alter, Gewicht und Allgemeinstatus – für eine ausgewählte Patient*innengruppe. Und auch das nur als Ultima Ratio, also in einem sehr späten Stadium der COPD. In den letzten Jahren hat man diese Therapieoption aber immer besser erforscht und obwohl es ein sehr großer Eingriff ist, können die Patient*innen heutzutage schon am zweiten Tag nach der Operation mobilisiert werden und aus dem Bett aufstehen. Das Gesamtüberleben nach fünf Jahren liegt bei über 70 Prozent, was angesichts der Krankheitsschwere doch eine ziemlich gute Prognose ist.
Gibt es auch Innovationen im Bereich der COPD-Behandlung?
Ja, seit einigen Jahren ist es möglich, COPD-Patient*innen mit Lungenemphysem kleine Ventile in einen Abschnitt der Lunge zu implantieren. Dazu gibt es bereits sehr gute Daten. Das Quälende an dieser COPD-Emphysem-Kombination ist ja das Nicht-mehr-ausatmen-Können. In der Folge blähen sich Teile der Lunge auf und die anderen, noch funktionstüchtigen Teile haben zu wenig Platz. Das führt zu einer gestörten Sauerstoffaufnahme und Atemnot bei den Patient*innen. Durch die Ventile kann die eingeschlossene Luft entweichen und der gesunde Lungenanteil kann sich dadurch besser ausdehnen. Eine andere Innovation, die ihren Weg in die klinische Praxis finden könnte, ist die so genannte Rheoplastie. Hier wird in einem kleinen Eingriff die Bronchialschleimhaut verödet, um die übermäßige Schleimproduktion bei chronischer Bronchitis hintanzuhalten.
Was können Betroffene selbst tun, um ihren Zustand zu verbessern?
An allererster Stelle steht die Rauchentwöhnung. In jedem Stadium der COPD, auch in den schweren, ist Tabakstopp ein Erfolgsgarant. Das bringt wirklich immer etwas. Therapietreue bei den Medikamenten zählt natürlich ebenfalls dazu und ein ganz wichtiger Punkt ist außerdem die Rehabilitation. Hier erlernen die Patient*innen ein Trainingsprogramm, das sie danach zu Hause durchführen sollen. Regelmäßige Belastungsreize durch körperliche Bewegung haben einen sehr großen Einfluss auf die Stabilisierung der Erkrankung, und das ist etwas, das jede*r selbst in der Hand hat.
COPD-Erkrankte haben auch ein erhöhtes Risiko auf einen schweren Covid-19-Verlauf. Wie können sie sich schützen?
COPD-Patient*innen sind auf jeden Fall eine gefährdete Gruppe, nicht nur in Bezug auf Covid-19, sondern auch auf andere Erkrankungen wie Pneumokokken, Influenza oder sonstige respiratorische Infekte. Zurzeit sehen wir dadurch auch wieder ein vermehrtes Auftreten von Exazerbationen. Darum halte ich im Prinzip jegliche Schutzmaßnahme für eine gute Idee. Zu Zeiten von Krankheitswellen unter Umständen auch durch Mundschutz oder FFP2-Maske, sofern man das als Patient*in mit einer Atemwegseinschränkung verträgt. Allem voran aber stehen Impfungen. Wogegen immer man sich impfen kann, als COPD-Betroffene*r sollte man das tun und sich zudem um regelmäßige Auffrischungen des Impfstatus kümmern.
Wie sieht es mit Aufklärung und Prophylaxe aus? Braucht es mehr Bewusstsein für COPD?
Man sollte auf jeden Fall das Bewusstsein dafür schärfen, dass Raucher*innen ein erhöhtes Risiko haben und daher regelmäßige Gesundheitschecks brauchen. Sich in falscher Sicherheit zu wiegen, nur weil lange Zeit kein organischer Schaden messbar ist oder auch später die ersten Symptome anfangs eher unspezifisch sind, kann fatal sein. Leider ist COPD immer noch eine unterschätzte Krankheit. Früherkennung, Screenings, das ist in Hinblick auf den Behandlungserfolg enorm wichtig. Darauf kann man nicht oft genug aufmerksam machen.
Interview: Uschi Sorz; Fotos: Ordensklinikum Linz Elisabethinen, www.depositphotos.com

Christopher Lambers, Priv.-Doz. Primarius Dr.
Vorstand der Abteilung Pneumologie des Ordensklinikums Linz Elisabethinen
Lambers, der ursprünglich aus Hagen in Nordrhein-Westfalen stammt und von 2002 bis 2022 an der Medizinischen Universität Wien tätig war, ist habilitierter Facharzt für Innere Medizin und Lungenheilkunde. Er war Oberarzt an der Abteilung Pulmologie/Innere Medizin am AKH Wien und parallel verantwortlicher Leiter des pulmologischen Forschungslabors. Ab 2013 war er an der klinischen Abteilung für Thoraxchirurgie tätig und wirkte im Lungentransplantationsprogramm mit, welches mit bis zu 120 Lungentransplantationen pro Jahr eines der größten Lungentransplantationszentren der Welt ist. Seit 1. Juli 2020 ist Lambers Vorstand der Abteilung Pneumologie des Ordensklinikums Linz Elisabethinen. Gegenwärtig ist er auch Leiter des ÖGP-Arbeitskreises COPD-Tabak/Nikotin-Umwelt/Arbeit.