CAR-T-Zell-Therapie: Scharfmacher für die Krebsabwehr
Immuntherapie bewährt sich in der Behandlung mehrerer Krebserkrankungen. Weitere Hoffnungen ruhen auf der CAR-T-Zell-Therapie, einer neuen und aufwendigen Therapieform. Was kann sie leisten und wo sind ihre Grenzen?
Wie die Therapie mit CAR-T-Zellen funktioniert, lässt sich aus ihrem Namen enträtseln: T-Zellen sind eine Gruppe von Immunzellen, die andere (kranke) Zellen angreifen und bekämpfen. Bei der CAR-T-Zell-Therapie werden diese Zellen aus dem Blut der PatientInnen entnommen. Im Labor wird ein Gen künstlich eingebaut, das den Bauplan für einen sogenannten chimären Antigenrezeptor, kurz CAR, enthält. Dieser Rezeptor befindet sich dann auf der Oberfläche der Zellen. Nachdem die Zellen noch im Labor vermehrt werden, erhält der Patient die CAR-T-Zellen wieder zurück – die Attacke auf die Krebszellen beginnt. Denn mit dem neu eingeschleusten Rezeptor erkennen CAR-T-Zellen gezielt die Krebszellen, heften sich an sie und zerstören sie. Eine Signalsequenz des Rezeptors sorgt nach der Bindung von CAR-T-Zellen an Tumorzellen für eine Aktivierung der T-Zellen. „CAR-T-Zell-Therapie wirkt gezielt gegen einen Oberflächenmarker von malignen Zellen, so dass die veränderten T-Zellen diese direkt auflösen können“, erklärt Dr. Sigrid Machherndl-Spandl, Oberärztin an der Abteilung für Innere Medizin 1 des Ordensklinikums Linz.
Langlebige und gezielte Therapie
Der Vorteil von CAR-T-Zelltherapie im Vergleich zur Immuntherapie mit Checkpoint Inhibitoren liegt auch in ihrer Langlebigkeit, denn das Immunsystem wird quasi umprogrammiert und kann dauerhaft den Krebs bekämpfen, berichtet Machherndl-Spandl. „CAR-T-Zellen können im Körper über Monate bis Jahre überleben und sich vermehren. Sie können ihre Wirkung also weiter entfalten. Checkpoint Inhibitoren blockieren die ‚Stop‘-Signale des Tumors nur und aktivieren so die körpereigenen Immunzellen. Daher muss diese Therapie öfters wiederholt werden. CAR-T-Zell-Therapie hingegen muss man im Idealfall nur einmal geben, die Therapie wirkt im Körper weiter.“
"CAR-T-Zell-Therapie muss man im Idealfall nur einmal geben, die Therapie wirkt im Körper weiter", erklärt Sigrid Machherndl-Spandl.
Prinzipiell könnte CAR-T-Zell-Therapie für die Behandlung aller Krebsarten eingesetzt werden. Aber nur für wenige Krebsarten wurden bisher Oberflächenmerkmale gefunden, auf deren Erkennung CAR-T-Zellen programmiert werden können. In Europa sind seit August 2018 zwei CAR-T-Zell-Therapien zugelassen: Kymriah, zur Behandlung von refraktärer oder rezidivierter B-Zell akuter lympathischer Leukämie und für rezidivierte/ refraktäre hochmaligne B-Zell-Lymphome, und Yescarta, zur Behandlung von rezidivierten B-Zell-Lymphomen. Bei beiden Therapien, die in den USA bereits im Herbst 2017 zugelassen wurden, ist das CD-19 Antigen auf B-Lymphozyten der Angriffspunkt. Und beide werden nur bei PatientInnen eingesetzt, die nicht oder nicht mehr auf andere Therapien, wie Chemo-, Strahlen-, oder Immuntherapie, ansprechen.
„Bei Patienten, die komplett auf die Behandlung ansprechen, verlängert sich das Überleben durch die einmalige Gabe von CAR-T-Zellen. Allerdings sprechen nicht alle Patienten an. Wenn nur ein teilweises Ansprechen erzielt werden kann, treten rasch Rezidive auf. In den beiden großen Studien zu dieser Therapie gab es eine Ansprechrate von 40 bis 50%. Jene Patienten, die auf CAR-T-Zellen komplett ansprechen, haben eine gute Chance auf eine Langzeitheilung. Und das sind Patienten, die zuvor auf Chemotherapie keine Ausheilung erreicht haben,“ betont Machherndl-Spandl. Wie etwa Emily Whitehead, die 2012 als erstes Kind weltweit mit CAR-T-Zellen therapiert wurde. Sie ist bis heute krebsfrei.
Schwere Nebenwirkungen sind möglich
Obwohl die CAR-T-Zellen die Krebszellen gezielt attackieren, kann es zu Nebenwirkungen kommen. Manche davon sind schwer, wie etwa ein Zytokinsturm, eine starke Entzündungsreaktion, bei der die Botenstoffe, die während der Aktivierung aus den Immunzellen austreten, Fieber und andere Symptome verursachen. Dieser Sturm kann die Lunge fluten und zu gefährlichen Blutdrucksenkungen führen – was Emily Whitehead fast getötet hätte. „„Weil bei der CAR-T-Zell-Therapie die T-Zellen aktiviert werden und auch gesunde Organe angreifen können, kann es zu Autoimmunerkrankungen, neurologischen Störungen oder Schilddrüsenunterfunktion kommen“, erklärt Machherndl-Spandl, „Allerdings können ähnliche Nebenwirkungen auch bei der Behandlung mit Checkpoint Inhibitoren auftreten.“

Nicht nur wegen ihrer Erfolge, auch wegen ihrer Kosten ist die CAR-T-Zell-Therapie in den Schlagzeilen. „Die Kosten werden in den Medien mit rund 300,000 Euro für eine Behandlung benannt, wie sehr das Verhandlungssache ist, weiß ich nicht“, sagt Machherndl-Spandl. Zum Teil erklärt sich der Preis durch die Herstellung. „Es gibt derzeit nur eine begrenzte Anzahl an Speziallabors für die Herstellung der Zellen, die speziell ausgerüstet und zertifiziert sein müssen. Die Herstellung, der Transport und das Management der Zellen ist also aufwendig. Uniklinken arbeiten daran, eigene CAR-T-Zellen herzustellen. Wenn sie an mehr Orten hergestellt werden und das Knowhow verbessert ist, wird das einmal günstiger werden. Aber prinzipiell ist es eine Therapie, die für jeden Patienten einzeln angefertigt werden muss. Massenproduktion ist hier schwierig.“
CAR-T-Zell-Therapie am Ordensklinikum Linz und an den Universitätskliniken im Einsatz
In Österreich wird CAR-T-Zell Therapie zurzeit im Rahmen von Studien angeboten, das Ordensklinikum Linz nimmt etwa an einer klinischen Studie zur Behandlung von speziellen Formen des Lymphoms (des follikulären Lymphomes) teil, erklärt Machherndl-Spandl. „Theoretisch ist die CAR-T-Zell-Therapie kommerziell schon erhältlich, aber derzeit versuchen wir noch, alle Patienten in Studien zu behandeln, um Erfahrungen zu sammeln.“ Für eine Ausweitung der Therapie ist auch das Ordensklinikum Linz bereit. „In den nächsten Jahren wird wahrscheinlich auch außerhalb von Studien mit den zugelassenen Medikamenten behandelt werden. Alle österreichischen Zentren sind schon dafür eingerichtet, zertifiziert und von der AGES begutachtet. Theoretisch wäre das also möglich.“
Text: Sophie Fessl; Bilder: www.depositphotos.com

Sigrid Machherndl-Spandl, Dr.
Oberärztin an der Abteilung für Innere Medizin 1 des Ordensklinikums Linz
Nach der Ausbildung im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern wechselte sie im Oktober 2000 zu den Elisabethinen an die Hämato-Onkologie. Fachärztin für Innere Medizin seit 2008, Zusatzfach für Hämato-Onkologie seit 2010, Zusatzfach für Intensivmedizin seit 2017. Ihr Schwerpunkt liegt in der Hämatologie, vor allem die Behandlung akuter Leukämien und anderer maligner Knochenmarks- und Bluterkrankungen inklusive autologer und allogener Stammzell-Transplantation. Machherndl-Spandl ist verheiratet und Mutter einer Tochter.