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Österreich
10.07.2024

Hitze: „Spitäler müssen Patient*innen und Bedienstete schützen“

Ob auf nationaler, bundeslandweiter oder institutioneller Ebene: Hitzeschutzpläne gehören mittlerweile zum Alltag. Auch die tirol kliniken, die seit 2023 eine Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz anstreben, versuchen sommerliche Belastungsspitzen für Mitarbeiter*innen und Patient*innen abzufedern. Über den dahinterstehenden Aktionsplan sprach INGO mit Juliane Humer, Projektleiterin des Hitzeschutzaktionsplans der tirol kliniken.

Warum ist Hitzeschutz in Spitälern zunehmend ein Thema?

Juliane Humer: Hitzetage nehmen durch den Klimawandel zu und längere Hitzephasen können zu ernsthaften Gesundheitsproblemen führen. Besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen, zu denen unter anderem Menschen mit Vorerkrankungen zählen, sind gefährdet. Chronische Krankheiten wie Diabetes oder Nierenleiden können sich verschlechtern, die Genesung von Akutpatient*innen wird erschwert. Aber auch allgemein: Wenn der Körper mehr Wärme aufnimmt als er abgeben kann, drohen Hitzestau, Kreislaufprobleme oder schlimmstenfalls sogar ein Hitzschlag mit Risiko eines Organversagens. Aus Sicht der Expert*innen in unserem Hitzeschutz-Projektteam müssen Spitäler ihre Patient*innen und Bediensteten schützen, aber auch zur Bewusstseinsbildung der Bevölkerung beitragen. Schließlich nehmen Notfalleinweisungen während Hitzewellen deutlich zu. 

Hitzewellen bedingen also auch eine erhöhte Arbeitsbelastung?

Humer: Genau. Und das ist nicht nur eine subjektive Erfahrung. Einer unserer Anästhesisten hat für seine Masterarbeit den klimawandelbedingten Einfluss auf das Einsatzspektrum und die Einsatzzahlen der Flugrettung in den Ostalpen erhoben und im Zuge dessen auch die Auswirkungen von Hitzetagen auf die Gesundheit und die Aufnahmezahlen dargestellt. Seine Auswertung hat die Korrelation zwischen Hitze und negativen Ereignissen klar gezeigt. 

Zum Klimaktionsplan der tirol kliniken zählt ein Hitzeschutz-Maßnahmenkatalog. Wie sieht der aus?

Humer: 2023 haben die tirol kliniken den Klimaschutz priorisiert, der Hitzeschutz ist ein Teil davon. Dafür haben wir einen eigenen Aktionsplan erarbeitet. Er umfasst vorbereitende Maßnahmen, konkrete Schritte während der Hitzewellen sowie mittel- und langfristige Vorhaben. Bauliche Änderungen lassen sich ja nicht von heute auf morgen umsetzen, aber wir haben sie natürlich im Fokus. 

Einerseits lassen sich bereits durch relativ einfache und kostengünstige Maßnahmen spürbare Verbesserungen erzielen. Andererseits hat der Aktionsplan viel Mitarbeiter*innen-Feedback angeregt. 

Geht es bei den vorbereitenden Maßnahmen um Prävention?

Humer: Ja. Wir gehen davon aus, dass sich hitzebedingte Spitalseinweisungen durch mehr Wissen in der Bevölkerung reduzieren lassen. Zusammen mit dem Land Tirol haben wir darum im Vorjahr die Sensibilisierungskampagne „Einen kühlen Kopf bewahren“ auf den Weg gebracht. Folder und Poster informieren, was man selbst in Hitzephasen tun kann, um den Körper zu schonen, und wie man sich in Notfällen verhält. Das richtet sich an die Mitarbeiter*innen unserer Häuser, die Patient*innen, deren Angehörige sowie an die Gesamtbevölkerung, denn das Material wird vielerorts aufgelegt und die Kampagne breit beworben. Heuer ist zusätzlich die Stadt Innsbruck im Boot. 

Was geschieht, wenn die Hitzewelle da ist?

Humer: Dafür stellen wir unseren Ärzt*innen und Pflegenden fachgruppenspezifische Arbeitsanleitungen und Behandlungspfade zur Verfügung. Etwa zu Fragen wie: Welche chronischen Erkrankungen reagieren besonders auf Hitze? Wie ist bei einem Hitzschlag vorzugehen? Welche Medikamente werden in ihrer Wirksamkeit durch Hitze beeinflusst und benötigen eine Anpassung? Auf die entsprechenden Listen können die Mitarbeiter*innen bei der Arbeit zurückgreifen. 

Was wird als Nächstes umgesetzt?

Humer: Die bisherigen Schritte haben zweierlei gezeigt: Einerseits lassen sich bereits durch relativ einfache und kostengünstige Maßnahmen spürbare Verbesserungen erzielen. Andererseits hat der Aktionsplan viel Mitarbeiter*innen-Feedback angeregt. Deren Optimierungsvorschläge prüfen wir laufend auf Umsetzbarkeit. Ein Beispiel wäre die Begrünung unseres Areals, die jetzt weit oben auf unserer To-do-Liste steht. Und wie gesagt wird es früher oder später um das gezielte Hitzefestmachen unserer Gebäude und eine stärkere Absenkung der Raumtemperaturen gehen. Auf jeden Fall ist Hitzeschutz fester Bestandteil aller künftigen Neubauten.  

Interview: Uschi Sorz

Fotos: © Tirol Kliniken GmbH

Juliane Humer, BSc, MPH

Juliane Humer hat ein Bachelorstudium in BWL mit Schwerpunkt Gesundheitswesen und ein Masterstudium in Public Health absolviert. Seit 2012 ist sie an den tirol kliniken tätig, seit 2021 als Assistentin der kaufmännischen Geschäftsführung. Sie ist zudem Projektleiterin des Hitzeschutzaktionsplans der tirol kliniken. Zu den tirol kliniken gehören die drei Landeskrankenhäuser Innsbruck, Hall und Hochzirl-Natters, die Landes-Pflegeklinik Tirol, das Ausbildungszentrum West und 10 weitere Tochtergesellschaften. 

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