INnovation
Gesundheit
Österreich
13.12.2022

Gamechanger im Kampf gegen Magenkrebs

Mit ihrem Corona-Impfstoff haben sich Özlem Türeci und Uğur Şahin bereits einen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert. Nun winkt der nächste Eintrag: Ein von ihnen entwickeltes Medikament gegen Magenkrebs steht kurz vor seiner Zulassung.

Spätestens aufgrund des COVID-19-Impfstoffs Comirnaty ist das Mainzer Unternehmen BioNTech weltweit auch Menschen außerhalb des Gesundheitswesens bekannt. Und mit ihm seine Gründer. Das Ehepaar Özlem Türeci und Uğur Şahin hat mit seinem mRNA-Vakzin einen Gamechanger im Kampf gegen die Corona-Pandemie entwickelt – und steht offenbar kurz vor einem weiteren medizinischen Durchbruch. 

Erfolgreiche Drei-Phasen-Studie

Der Onkologe Uğur Şahin widmet sich seit Jahrzehnten gemeinsam mit seiner Frau der Forschung nach einem Wirkstoff gegen Krebs. 2001 gründete das Paar dafür das biopharmazeutische Unternehmen Ganymed Pharmaceuticals, das Antikörperwirkstoffe zur gezielten Behandlung von Tumoren entwickelt. 

Ganymed hat sich unter anderem der Herstellung von Zolbetuximab verschrieben. Das Magenkrebsmittel wurde gemeinsam mit dem japanischen Pharmakonzern Astellas Pharma GmbH entwickelt und von diesem in den vergangenen Jahren bereits erfolgreich in einer Drei-Phasen-Studie getestet. Die finale Phase-III-Studie mit 566 teilnehmenden Magenkarzinom-Patient*innen ließ zuletzt auf den erwähnten Gamechanger hoffen: Wie Astellas nun offiziell verkündete, verlängert der Wirkstoff mit dem monoklonalen Antikörper IMAB362 sowohl die Überlebenszeit ohne Verschlechterung des Krankheitsbildes als auch die Überlebenszeit insgesamt. „Detaillierte Ergebnisse werden demnächst auf einem wissenschaftlichen Kongress vorgestellt und zur Veröffentlichung eingereicht“, heißt es auf der Astellas-Website.

Zulassung in Reichweite

Auch erste Zulassungsanträge für Zolbetuximab werden bereits für 2023 erwartet. Das Medikament richtet sich konkret gegen das Protein Claudin 18.2 (CLDN18.2), das in zahlreichen Tumoren, einschließlich Magen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs, verstärkt zu finden ist. Özlem Türeci und Uğur Şahin hatten Claudin 18.2 bereits vor Jahren als Angriffsziel für die Entwicklung von Tumortherapien erkannt.

"Wir sind zuversichtlich, Zolbetuximab als Therapie etablieren zu können", erklärt Astellas-Vizepräsident Ahsan Arozullah. 

„Die Ergebnisse der Studie untermauern die Rolle von CLDN18.2 als Biomarker bei Magen- und Speiseröhren-Krebs“, erklärte Dr. Ahsan Arozullah, Vizepräsident und Head of Development Therapeutic Areas von Astellas. „Durch Bindung an CLDN18.2 auf der Krebszellenoberfläche induziert Zolbetuximab den Tod von Krebszellen, indem zwei unterschiedliche Signalwege des Immunsystems aktiviert werden“, so das Unternehmen. Und Ahsan Arozullah ergänzt: „Wir sind zuversichtlich, Zolbetuximab als Erstlinientherapie von Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Magenkrebs etablieren zu können.“

Gamechanging als Lebensinhalt

Aktuell ist die Therapie bei fortgeschrittenem Magen- oder Speiseröhren-Krebs auf Chemotherapie und Operation beschränkt; medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten gibt es kaum.  Sollte es tatsächlich im kommenden Jahr zu einer Zulassung von Zolbetuximab kommen, werden allerdings nicht nur Onkologie-Patientinnen und -Patienten profitieren: Die tatsächliche Produktion des Krebsmedikaments wird viel Geld in die Kassen des Herstellers spülen; Expert*innen rechnen in den ersten fünf Jahren mit Umsätzen von über 500 Millionen Dollar.

Nachdem Ganymed Pharmaceuticals bereits 2016 von Astellas Pharma GmbH um 420 Millionen Euro übernommen wurde, sollen bei erfolgter Zulassung weitere 860 Millionen in Richtung der ursprünglichen Gründer des Unternehmens fließen. Özlem Türeci und Uğur Şahin zählen bereits jetzt mit einem geschätzten Vermögen in zweistelliger Milliarden-Höhe zu den reichsten Menschen Deutschlands. Ums Geld geht es dem Ehepaar also wohl nicht. 

Ums Gamechanging mit Sicherheit schon.

Text: Michi Reichelt, Foto: Federico Gambarini / dpa / picturedesk.com

Özlem Türeci & Uğur Şahin,

Gründer von BioNTech

Mit vier Jahren zog der 1965 in der Türkei geborene Uğur Şahin mit seiner Familie nach Deutschland. Er wuchs in Köln auf, wo er die Schule und sein Medizinstudium absolvierte. Şahin widmet sich seit seinen Universitätsjahren der Krebsforschung, gemeinsam mit seiner späteren Frau Özlem Türeci gründete er 2001 Ganymed Pharmaceuticals sowie 2008 das Biotechnologieunternehm BioNTech („Biopharmaceutical New Technologies“). Auch Özlem Türeci, Jahrgang 1967, übersiedelte mit vier Jahren von der Türkei nach Deutschland. Sie ist ebenfalls habilitierte Medizinerin mit dem Fokus auf Krebstherapien. Die Ehrenbürgerin der Stadt Mainz ist seit 2021 als Professorin der dortigen Johannes Gutenberg-Universität tätig. Özlem Türeci und Uğur Şahin sind unter anderem Träger*innen des Großes Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland sowie Mitglieder der Nationalen Akademie der Wissenschaften. Das Paar ist seit 2002 verheiratet und hat eine gemeinsame Tochter.

Haben Ihnen diese Artikel gefallen?

Erhalten Sie regelmäßig alle relevanten Nachrichten aus dem österreichischen Gesundheitswesen.