Elon Musk: Hirnimplantate für Menschen?
Es wird offenbar ernst: Nachdem Unternehmer Elon Musk angekündigt hatte, die Zulassung für Hirnimplantatsstudien am Menschen erhalten zu haben, erhielt sein Start-up nun 280 Millionen Dollar, um die Studien durchzuführen. Das Projekt bleibt freilich umstritten.
Man könnte es als „typisch Musk“ titulieren: Das Start-up Neuralink, 2016 von Elon Musk und weiteren Investoren gegründet, hat es sich als neuro- und biotechnologisches Unternehmen zum Ziel gesetzt, ein sogenanntes Brain-Computer-Interface (BCI), kurz Brain-Chip, zu entwickeln. Das für den streitbaren Milliardär ganz Typische daran: Während die einen in dem Projekt eine bahnbrechende, zukunftsweisende Vision verorten, warnen andere eindringlich davor, dass damit die Büchse der Pandora geöffnet werden könnte. Nicht selten wird Elon Musk von seinen Kritikern bekanntlich ein Hauch von Größen- und Kontrollwahn unterstellt – und insbesondere der Eingriff ins menschliche Gehirn wird von vielen mit gemischten Gefühlen beobachtet.
„Neues menschliches Potenzial“
Elon Musk selbst beruhigt hier wenig überraschend regelmäßig. „Neuralink wird die Art und Weise, wie Menschen denken, handeln, lernen und Informationen teilen, verändern“, so der Unternehmer. Es werde eine Schnittstelle geschaffen, die Menschen mit medizinischen Problemen ihre Autonomie wiedergibt und im nächsten Schritt neues Potenzial im Menschen freisetzt.
Konkret soll das BCI dem menschlichen Gehirn ermöglichen, sich mit einem Computer zu verbinden und dadurch Einschränkungen und Störungen im visuellen, akustischen oder neurologischen Bereich kompensieren. 2020 hatte Musk den Prototypen mit dem schlichten Namen „Link“ präsentiert: Einen runden Chip mit einem Durchmesser von 23 Millimetern und 8 Millimetern Dicke, der direkt im Schädel platziert wird. In ersten Versuchen wurde das BCI in die Gehirne von Affen und Schweinen eingesetzt, wobei die OPs aufgrund ihrer Komplexität von Robotern durchgeführt wurden. Diese verbanden die ultradünnen Leitungen des Chips mit den Nervenzellen des Gehirns, die Übertragung zwischen Lebewesen und Computer findet dann via Bluetooth statt.
"Die Art und Weise, wie Menschen denken, handeln, lernen und Informationen teilen, wird sich verändern", ist Elon Musk überzeugt.
Kritik hält an
Nun ist Neuralink bereit für den nächsten Schritt, wie das Unternehmen bekannt gab. Die zuständige US-Behörde, die Food and Drug Administration (FDA), habe die Zulassung zu Tests am menschlichen Gehirn erteilt, teilte Neuralink auf der Musk-eigenen Social-Media-Plattform Twitter (mittlerweile in „X“ umbenannt) mit. Bereits davor hatte Elon Musk vom Erfolg der BCI-Tierversuche berichtet; so hätten Makaken mit Hilfe der Brain-Chips „Pong“, ein einfaches Videospiel, gespielt oder einen Cursor über den Bildschirm bewegen können. Allerdings bestätigte Neuralink auch den Tod eines der eingesetzten Affen im Rahmen der Versuche. Eine Angabe, die von Tierschützern stark angezweifelt wird; man befürchtet nicht nur eines, sondern zahlreiche verendete Tiere – was von Neuralink wiederum dementiert wird.
Tatsache ist: Die erste klinische Studie am Menschen steht mittlerweile offenbar kurz bevor. In einem weiteren Statement auf X erklärte Neuralink nämlich Anfang August, in der jüngsten Fundraising-Runde 280 Millionen Dollar für die Durchführung weiterer Forschungsarbeit erhalten zu haben. Federführend dabei war demnach der Founders Fund, das in San Francisco ansässige Risikokapitalunternehmen des gebürtigen Deutschen Peter Thiel. Der Milliardär, unter anderem Mitbegründer der Bezahlplattform PayPal, kann Elon Musk die Hand reichen, was Kritik an seiner Person betrifft. Bereits 2009 sorgte er für einen regelrechten Aufschrei, als er meinte, er glaube „nicht mehr, dass Freiheit und Demokratie vereinbar sind“. Zudem unterstützte er Donald Trump in dessen Wahlkämpfen mit hohen Spendengeldern. Auch Musks Projekte, wie das Raumfahrtunternehmen Space X, fördert Thiel mit seinem Founders Fund seit Jahren.
Alles forscht
Die aktuelle Finanzierungsnachricht kommt rund ein halbes Jahr, nachdem Neuralink bereits begonnen hatte, Freiwillige für eine klinische Studie zu rekrutieren. Für die Teilnahme muss man mindestens 18 Jahre alt sein und querschnittsgelähmt sein beziehungsweise nicht sehen, hören oder sprechen können. Menschen mit implantiertem “Link” würden zuerst simple Dinge erlernen, wie das Bewegen einer virtuellen Maus. Später würde man dazu übergehen, ein Keyboard zu bedienen, heißt es seitens der Verantwortlichen.
Neuralink ist nicht das erste Unternehmen, das aktuell an BCI forscht. Synchron Inc. mit Sitz im Bundesstaat New York durfte bereits 2002 eine erste klinische Studie an Menschen durchführen. Anders als beim Link wurde aber dabei ein Chip nicht direkt im Gehirn, sondern über die Blutbahn eingesetzt. Insgesamt soll er bei sieben Versuchspersonen bereits mit Erfolg getestet worden sein, wie Synchron-CEO Tom Oxley Anfang 2023 erklärte. Das Unternehmen kann jedenfalls bei seiner Forschungsarbeit, so wie Neuralink, auf prominente Unterstützung setzen: Microsoft-Gründer Bill Gates finanziert das Projekt ebenso wie Amazon-Gründer Jeff Bezos.
Text: Michi Reichelt; Foto: Unsplash