INnovation
Gesundheit
Österreich
11.06.2019

„Der Patient ist ein Mensch und kein Fall“

Schwester Katharina Laner, Geschäftsführerin des Kardinal Schwarzenberg Klinikums – einer Einrichtung der Barmherzigen Schwestern – über die Wichtigkeit der Ordensspitäler in der heutigen Zeit, die Werte, die sie leben und was Patienten an diesen so schätzen.

Im Mittelalter lag die Krankenpflege in Spitälern und Hospizen fast ausschließlich in den Händen von Orden, Bruderschaften und kirchlichen Stiftungen. Was macht sie heute immer noch unverzichtbar?

Laner: Die Ordensspitäler leben den Auftrag Jesu „Heilt die Kranken“ auf sehr spezifische Weise, je nach ihrem Charisma. Dieser Auftrag ist in einer christlichen Welt auch heute unverzichtbar – und zwar auf zwei Ebenen. Einerseits als Träger der christlichen Botschaft in unserer Zeit und andererseits als Wahlmöglichkeit für Patienten. Durch eine Trägervielfalt können sich diese entscheiden, wo sie sich behandeln lassen wollen.

Die Ordensspitäler sind der größte gemeinnützige Anbieter stationärer Krankenbehandlung in Österreich. Wie wichtig sind sie für die medizinische Versorgung in Österreich?

Sieht man sich die Landkarte der Ordensspitäler an, ist ihr Anteil gerade in Oberösterreich und Wien sehr hoch. (Anm. der Red.: In OÖ wird fast die Hälfte der Patienten in einem Ordenskrankenhaus versorgt, in Wien 15-20 Prozent). Was Ordensspitäler auszeichnet, ist, dass wir versuchen, Leistung mit sehr hoher Effizienz zu erbringen, das heißt, wir arbeiten alle sehr verantwortungsbewusst mit dem uns zur Verfügung gestellten Geld.

Dadurch tragen wir auch zur Leistbarkeit unseres Gesundheitssystems bei. Würde man sich zum Beispiel die Ordensspitäler in Wien und Oberösterreich wegdenken, wäre das eine riesige Herausforderung für die öffentliche Hand. Die Länder sind ja verpflichtet, eine Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung zu stellen und wir partizipieren an diesem Auftrag.

Was macht Ordensspitäler ganz allgemein aus und wodurch unterscheiden sie sich von solchen aus der öffentlichen Hand?

Die Antwort ist wahrscheinlich genau das, was die Patienten sehr häufig bei Befragungen angeben. Wir hören zum Beispiel immer wieder, dass es bei uns anders ist, die Patienten sich nicht als Nummer, sondern als Menschen fühlen und die Mitarbeiter trotz der vielen Arbeit immer freundlich sind.

"Ich bin als Christin davon überzeugt, dass Gebete Wirkkraft haben, auch wenn ich es nicht beschreiben und messen kann."

Meine persönliche Überzeugung ist, dass Ordensspitäler von der Zeit ihrer Gründung bis heute durchbetete Häuser sind, das bedeutet, in diesen Häusern wurde und wird viel gebetet. Das Gebet ist zwar nichts Greifbares, ich bin als Christin davon überzeugt, dass Gebete Wirkkraft haben, auch wenn ich es nicht beschreiben und messen kann. Ordensspitäler sind einfach Orte der Gegenwart Gottes und das drückt sich dann durch eine bestimmte Haltung gegenüber dem Menschen aus, eben eine offene, wertschätzende Haltung der Zuwendung.

Bei Umfragen geben Patienten auch sehr häufig an, dass in einem Ordensspital „ein besonderer Geist herrscht“. Was macht diesen aus?

Ich denke, dass in Ordensspitälern die Wahrnehmung des Patienten mit seinen Bedürfnissen einfach fokussierter ist. Obwohl ich mir kein Urteil über andere Häuser erlauben will, weil dort ebenfalls hochmotivierte Menschen arbeiten, die ihr Bestes geben. Die Rahmenbedingungen werden für alle immer schwieriger, darum braucht es die Ermutigung und Stärkung der Mitarbeiter, damit es ihnen gelingt die Patienten ganzheitlich zu sehen.

Welche schwierigeren Rahmenbedingungen meinen Sie konkret?

Etwa die Finanzierung des Gesundheitswesens. Und Zuwendung kostet – in vielen Fällen – Zeit. Eine Möglichkeit dem gerecht zu werden ist, die Tätigkeiten am Patienten so ausführen, dass er sich ernst genommen fühlt. Ein längeres Gespräch kostet eben Zeit und wenn man viele Patienten hat, ist diese manchmal schwer herauszuholen. Das verlangt ein Gespür der einzelnen Person, was man momentan hintanstellen kann um diesem Gespräch Raum zu geben, ohne dass etwas Anderes leidet – das ist eine Herausforderung.

Ordensspitäler stehen dafür, dass sie bemüht sind, den ganzen Menschen zu sehen, also die Einheit von Körper und Seele. Wie macht sich das bemerkbar?

Indem man den Mitarbeitern bewusst macht, dass der Patient ein Mensch und nicht ein Fall ist.Esist das Wichtigste, dass das im Bewusstsein aller ist, die im Krankenhaus arbeiten. Dazu gehört auch,zu spüren, was der Patient noch zusätzlich braucht. Und, dass die verschiedenen Berufsgruppen einen gemeinsamen Blick auf den Patienten haben und sich untereinander austauschen. Bei uns ist zudem die Seelsorge eingebunden, und nimmt bei den interprofessionellen Besprechungen teil, wenn es etwa um schwierige Fälle aus den Bereichen Onkologie, Palliativ oder Kinder geht.

Was Ordensspitäler ebenfalls auszeichnet, ist ein Angebot für die Seele. Bei uns steht die Kapelle Tag und Nacht offen und der Gottesdienst, der in der Kapelle stattfindet, wird in die Krankenzimmer übertragen. Wir versuchen also auch diese Bedürfnisse wahrzunehmen.

Wie wichtig ist in Ordensspitälern der Umgang miteinander? Wie wichtig die menschliche Zuwendung und Wertehaltung?

Enorm wichtig, es macht uns letztlich aus, dass wir versuchen eine Wertehaltung weiter zu tragen und weiter zu leben. Und zwar einerseits untereinander und miteinander, sowie andererseits auch in der Zuwendung zum Patienten.

Diese Wertehaltung zu leben, muss immer ein Ziel sein. Und man hat auch immer wieder zu überprüfen, ob man die Werte, diese Tugenden, auch noch lebt. Das gilt für jeden vom einfachsten Mitarbeiter bis hinauf in die Geschäftsführung.

Was macht das Angebot von Medizin und Pflege auf dem Fundament christlicher Grundwerte aus?

Medizin und Pflege soll sich am Menschen ausrichten und zwar jeweils an dem konkreten, denn Patient A braucht vielleicht etwas Anderes als Patient B. Und das aus ganzheitlicher Sicht.

"Grundsätzlich haben die Ordensspitäler eine lebensbejahende Ausrichtung."

Zu einem Ordensspital gehört aber auch, dass nicht jede Entwicklung beziehungsweise Möglichkeit in der Medizin zu einem Ordensauftrag passt. Hier kommen ganz stark die ethischen Fragestellungen ins Spiel.

Grundsätzlich haben die Ordensspitäler eine lebensbejahende Ausrichtung. In unserem Leitbild lautet ein Satz, dass wir dem Patienten unnötige Belastungen ersparen wollen. Das kann zum Beispiel heißen zu hinterfragen, ob die Operation oder die Behandlung Einfluss auf die Lebensqualität des Menschen hat. Und ob es bei einem sehr kranken oder sehr alten Menschen noch sinnvoll ist, das zu tun.

Wir richten unseren Fokus darauf, was dem Menschen, der vor mir ist, gerecht wird. Und was wir diesem noch geben können, um die verbleibende Zeit, zum Beispiel bei Patienten mit unheilbaren Erkrankungen, qualitätsvoll leben zu können.

Heute sind immer weniger Mitglieder der Orden tatsächlich in den Krankenhäusern tätig. Kann man die Gründungsidee beziehungsweise den Gründungsauftrag auch auf die weltlichen Mitarbeitenden und Führungskräfte übertragen? Und wie?

Das ist sicher von Orden zu Orden unterschiedlich. Es ist aber machbar, jedoch immer in dem Bewusstsein, dass die Mitarbeiter keine Ordensmitglieder sind. Bei uns im Haus schaffen wir dies durch eine strukturierte Leitbildarbeit, die gemeinsam mit den Mitarbeitern erstellt worden ist. Diese besteht aus verschiedenen Bausteinen. Dazu gehören unter anderem zweimal jährliche Treffen der Führung des Hauses um zu besprechen, wie es aktuell läuft und das Leitbild strategisch auszurichten.

Ein weiterer Baustein ist der Leitbildbeirat, der sich sechsmal im Jahr trifft und immer ein Ohr bei den Mitarbeitern hat und schaut, wo es eventuell Schwierigkeiten gibt. Dazu kommen Treffen von allen Berufsgruppen, die konkrete Schwerpunkte erarbeiten, und eine Veranstaltung für neue Mitarbeiter, die vier Monate nach Arbeitsbeginn stattfindet, und in der wir erfahren wollen, was diese vom Leitbild wahrnehmen. Es ist ein strukturiertes Modell, das Früchte trägt – und welches man im Haus spürt.

In der Errichtung von Hospizen haben die Ordensspitäler eine Vorreiterrolle übernommen, heute liegt in der Begleitung von Schwerstkranken und Sterbenden eine besondere Herausforderung. Wie sehen Sie diese Funktion?

Hospize sind sehr wichtige Einrichtungen unserer Zeit, gerade weil der Wert des Lebens immer zur Diskussion steht. Wir wollen aufzeigen, dass das menschliche Leben vom Beginn an bis zu seinem Ende unantastbar ist. Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Die heutige moderne Medizin bietet viele Möglichkeiten diese letzte Zeit so zu gestalten, dass der Mensch nicht leiden muss. Und wenn man diese letzte Zeit in einer Atmosphäre der Zuwendung und des Angenommen-Seins verbringen darf, braucht man wahrscheinlich sogar weniger Medikamente.

Wichtig ist es in der Hospiz- und Palliativversorgung über die Spitäler vernetzt zu sein. Gerade in diesem Bereich ist wichtig, dass zum Wohle der Betroffenen eine gute Zusammenarbeit besteht. Ich denke, was Ordensspitäler auszeichnet, ist, über die eigene Grenze hinaus zu schauen, wo können wir unseren Beitrag leisten in der Kooperation mit anderen? Niemand kann allein für alle Menschen das Heil wirken.

Was wird in Zukunft die Rolle der Ordensspitäler sein?

Wir sind bereit, die Gesundheitsversorgung mitzugestalten, und haben das in der Geschichte schon erwiesen. Ordensspitäler waren in der Vergangenheit immer innovativ und haben viele Dinge angestoßen. Wir sind gerne bereit zu kooperieren und zwar immer mit der Zielrichtung, dass es um den Menschen geht.

Ordensspitäler gestalten auch die Rolle der Zukunft in einem Aspekt sehr wesentlich mit – und zwar in der Ausbildung. Ordensspitäler sind Ausbildungsstätten. Wir brauchen in Zukunft gut ausgebildete Pflege und Medizin. In die Ausbildung zu investieren ist ein wichtiger Beitrag für die Zukunft.

Wir werden auch in Zukunft unverzichtbar sein, im Sinne des Auftrags Jesu - „Heilt die Kranken“ - als konzentrierte Orte der christlichen Botschaft, in denen es um den Menschen geht. Mein persönlicher Traum, meine Vision von einer Gesundheitsversorgung ist, dass es eine extrem gute Abstimmung gibt zwischen den vorgelagerten und nachgelagerten Einrichtungen sowie den Ordensspitälern beziehungsweise generell den Spitälern.

In einem Bild: Es sollte uns bewusst sein, dass das Leben ein Fluss ist und dass man in diesem Fluss manchmal eine Gesundheitseinrichtung besuchen muss. Diese Besuche sollen aber keine Brüche, sondern Übergänge sein. Menschen sollen nachher sagen können, ich habe mich hier gut aufgehoben gefühlt und wenn wieder etwas ist, habe ich keine Angst noch einmal herzukommen.

Damit das gelingt, ist der betroffene Mensch einzubeziehen, gut über seine Therapiemöglichkeiten zu informieren damit es ihm möglich ist, mit zu entscheiden über seine Behandlung.

Interview: Heike Kossdorf; Bilder: Kardinal Schwarzenberg Klinikum / Eva Mrazek, Kardinal Schwarzenberg Klinikum / Schiel

Schwester Katharina Laner,

Geschäftsführerin des Kardinal Schwarzenberg Klinikums

Nach Absolvierung der Krankenpflegeschule Eintritt in die Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern. 1979 Entsendung in das Kardinal Schwarzenberg Klinikum als Diplomkrankenschwester. Ab 1983 Stationsleitung einer chirurgischen Station und von 1988 bis 1989 Absolvierung des Universtätslehrgang für Leitendes Krankenpflegepersonal an der Akademie für höhere Fortbildung in der Pflege. 1992 Übernahme der Funktion Pflegedirektorin am Klinikum bis 2003. Seit 2001 Geschäftsführerin mit Schwerpunkt Personal und Unternehmenskultur in der Doppelgeschäftsführung des Klinikums.

Haben Ihnen diese Artikel gefallen?

Erhalten Sie regelmäßig alle relevanten Nachrichten aus dem österreichischen Gesundheitswesen.