„Wir sind von den Wirrungen der Parteipolitik vergleichsweise verschont“
In der ÖGK werden die Gebietskrankenkassen zusammengeführt. Matthias Krenn, stellvertretender Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, ist Vorsitzender der Überleitungsgremien. Im Interview berichtet Krenn über den Stand des Projekts, die wichtigsten Einsparungspotenziale und die Ziele der Österreichischen Gesundheitskasse.
Was sind die wichtigsten Aufgaben in Ihrer Funktion?
Matthias Krenn: Als Vorsitzender der Überleitungsgremien der Österreichischen Gesundheitskasse und des Dachverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger stelle ich gemeinsam mit dem neuen Management und den hervorragenden MitarbeiterInnen sicher, dass die Überleitung in die neuen Strukturen gut funktioniert. Im Überleitungsausschuss der ÖGK gilt es, die Zusammenführung der Gebietskrankenkassen so vorzubereiten, dass die Versicherten mit Beginn 2020 die gewohnten Leistungen in der gewohnten Qualität in Anspruch nehmen können. Bemerkbare Vorteile der Kassenfusion wird es dann Schritt für Schritt geben.
Wo liegen Ihre wichtigsten Verantwortungsbereiche?
Der Überleitungsausschuss hat gesetzlich festgelegte Verantwortungsbereiche, etwa die Beschlussfassung in bestimmten Budget- und Personalangelegenheiten. Weiters hat er die Möglichkeit, bestimmte Entscheidungen an sich zu ziehen, die die Zusammenführung der Kassen betreffen. Spannend an der Tätigkeit als Vorsitzender beider Überleitungsgremien ist es auch, bei der Abstimmung zwischen den fünf Trägern und dem Dachverband mitzuwirken. Denn nur gemeinsam ist es möglich, das Ziel der Reform, ein soziales und leistungsstarkes Gesundheitssystem, zu erreichen.
Wo stehen Sie derzeit in der Entwicklung der ÖGK und ihrer Struktur?
Zuletzt wurde das neue Management bestellt und eine Geschäftseinteilung abgestimmt. Seit Ende Juni sind wir in der Phase der Detailplanung. Bereits seit Februar laufen drei Programme zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. In 62 Einzelprojekten werden vom Melde-, Versicherungs- und Beitragswesen über den Vertragspartner-Bereich bis zur Kommunikation alle Fachbereiche auf die Fusion vorbereitet. Die KollegInnen leisten hier wirklich Großartiges.
Wo sehen Sie Einsparungspotenzial?
Da gibt es drei große Themenfelder: Verwaltung, Beschaffung und IT. In der Verwaltung werden durch natürliche Abgänge, weniger FunktionärInnen und Gremien sowie Shared Service Centers – Stichwort dezentrale Zentralisierung – Einsparungen erzielt. Durch gemeinsame Beschaffung, den strategischen Einkauf von Verwaltungsgütern und Dienstleistungen sowie Heilbehelfen und Heilmittel, weiters durch Senkung der IT-Kosten und Digitalisierung von Arbeitsabläufen werden weitere Mittel frei, die in verbesserte Leistungen und ein besseres Serviceangebot zugunsten der Versicherten investiert werden. Zudem möchten wir durch Prävention und Gesundheitsförderung die Versicherten gesund erhalten. Das fördert nicht nur die Lebensqualität, sondern spart auch Kosten.
„In der Verwaltung werden durch natürliche Abgänge, weniger FunktionärInnen und Gremien sowie Shared Service Centers Einsparungen erzielt.“
Was sind die wesentlichen Eckpunkte für die Phase der Überführung der Kassen in die ÖGK?
Auf die Phase des parlamentarischen Prozesses und die Phase der kommissarischen Leitung, die mit Ende Juni abgeschlossen wurde, folgt nun unter dem neuen Management die Detailplanung und Vertiefung des Change-Prozesses, darunter der organisatorische und funktionale Aufbau der ÖGK-Hauptstelle. Geänderte Prozesse werden in der Folge getestet und überprüft, bevor im Herbst der Rollout beginnt.
Wo rechnen Sie mit Problemen bei der Strukturierung der ÖGK?
Wir haben bei den einzelnen Projekten ein Ampelsystem etabliert, das wöchentlich den Fortschritt und gegebenenfalls den Koordinierungsbedarf anzeigt. So können mögliche Probleme schon früh erkannt und Verzögerungen vorgebeugt werden. Der enge Zeitplan ist in der Tat herausfordernd, aber ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen.
Wie begegnen Sie der Kritik an der Besetzung des Überleitungsgremiums der ÖGK?
Konstruktive Kritik ist stets erwünscht. Ich bin davon überzeugt, dass die Parität, die in etwa den Beitragsleistungen entspricht, fair ist. Mit je sechs VertreterInnen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber ist sichergestellt, dass die Interessen beider Gruppen gut berücksichtigt werden. In gewissen Angelegenheiten ist zudem die Mehrheit sowohl der DienstnehmerInnen, als auch der DienstgeberInnen notwendig. Aufgrund des engen vom Gesetzgeber vorgegebenen Zeitplans war es leider nicht immer möglich, einen Konsens zu finden. Ich wünsche mir, dass wir in Zukunft häufiger zu einvernehmlichen Entscheidungen kommen. Das würde auch manche Kritiker überzeugen.
Welche Aufgaben werden die Länderkassen zukünftig übernehmen?
Nach den Konzepten einheitlicher Steuerung und regionaler Leistungserbringung sowie dezentraler Zentralisierung werden in den Bundesländern Kompetenzzentren aufgebaut beziehungsweise bestehende weiterentwickelt. Fachbereiche können so auch an Standorten in den Ländern zusammengeführt werden. Die regionale Betreuung der Versicherten, Dienstgeber und Vertragspartner liegt auch weiterhin in den Ländern. Weiters wirken die Landesstellen bei Honorar-Verhandlungen auf regionaler Ebene mit. Auch die Rücklagen der bisherigen Gebietskrankenkassen werden in den Ländern verwaltet und nicht zuletzt werden wir bei Beschaffungen auch regionale Gesichtspunkte berücksichtigen.
Was bringt die ÖGK den Versicherten?
Gleiche hochwertige Leistungen vom Bodensee bis zum Neusiedler See. Das Leistungswesen muss berechenbar sein. Aus Sicht der Versicherten ist es unverständlich, dass je nach Bundesland unterschiedliche Leistungen und Zuschüsse gewährt werden, teils Selbstbehalte und chefärztliche Bewilligungserfordernisse anfallen und teils nicht. Hier wird es künftig einheitliche Standards geben. Ein weiteres Anliegen ist es, den niedergelassenen Bereich zu stärken und mittels Primärversorgungseinrichtungen ÄrztInnen und Angehörige anderer Gesundheitsberufe zu motivieren, sich abseits großer Zentren niederzulassen. Gerade bei jungen MedizinerInnen ist der starke Wunsch vernehmbar, im Team zu arbeiten. Gleichzeitig wird die wohnortnahe Versorgung ausgebaut. Eine Win-win-Situation.
„Aus Sicht der Versicherten ist es unverständlich, dass je nach Bundesland unterschiedliche Leistungen und Zuschüsse gewährt werden.“
Welche Auswirkungen haben die innenpolitischen Entwicklungen der vergangenen Wochen auf das Vorhaben ÖGK?
Wir sind im Bereich der sozialen Selbstverwaltung von den Wirrungen der Parteipolitik vergleichsweise verschont. In entscheidenden Fragen erfolgte die Willensbildung zuletzt sogar einstimmig. Trotz teils unterschiedlicher Sichtweisen auf die Reform hoffe ich, dass auch während des bevorstehenden Wahlkampfes weiter konstruktiv und zielorientiert zusammengearbeitet werden wird. Die Gesundheit der Versicherten und die Motivation der MitarbeiterInnen sind zu wichtig, um damit parteipolitisches Kleingeld zu wechseln.
Interview: Sabine Fisch; Bild: www.fpoe.at

Matthias Krenn,
Vorsitzender der Überleitungsgremien der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK)
Krenn wurde 1960 in Villach geboren und führt das Hotel Kärntner Hof in Bad Kleinkirchheim. Er ist Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich und Bürgermeister von Bad Kleinkirchheim.