„Ein offener Zugang für alle“
Hospizplätze sind in Österreich nach wie vor rar. Rudolf Wagner, der neue Geschäftsführer des St. Barbara Hospizes in Linz, spricht im Interview über die notwendige Leistbarkeit für Bewohner und vertritt eine gesunde Haltung zum Sterben.
Was unterscheidet die Arbeit im Hospiz von der Arbeit in anderen Einrichtungen, in denen Sie zuvor tätig waren?
Rudolf Wagner: Bisher hatte ich mit Patienten zu tun, deren Thema die Gesundung und Prävention war. Im Hospiz sind es kranke und sterbende Menschen, Bewohner mit starken Schmerzen. Hier tritt die pflegerische und psychosoziale Betreuung in den Vordergrund. Es geht um eine Verbesserung der Lebensqualität. Es geht darum, dem Bedürfnis der Patienten nach Selbstbestimmung nachzukommen. Die Bewohner im Hospiz können ihren Tagesablauf selbst bestimmen.
Welches „Werkzeug“ sollte man für die Arbeit in einem Hospiz mitbringen?
Man braucht eine sehr gesunde Haltung zum Sterben. Der Tod darf kein Tabuthema sein, sondern sollte als Teil des Lebens angesehen werden. Anders gesagt: Im Hospiz steht das Leben im Vordergrund, aber mit dem Sterben sollte man per Du sein. Abgesehen davon ist eine respektvolle Haltung zu den unterschiedlichen Lebensformen und Konfessionen der Patienten wichtig.
Weichen die Bedürfnisse von Menschen in ihrer letzten Lebensphase je nach Glaubensbekenntnis oder Weltanschauung stark voneinander ab?
Die Menschen haben unterschiedliche Zugänge, je nachdem, wie sie ihr Leben gelebt haben – eher offen oder eher verschlossen. Manche brauchen Ruhe, andere brauchen Nähe. Neben der Fachpflege brauchen die Bewohner die Pflegenden auch als reale Personen. Sie brauchen ein Stück Alltag. Menschen, die es gewohnt waren, in eine Familie eingebettet zu sein, die brauchen das auch hier.
"Neben der Fachpflege brauchen die Bewohner die Pflegenden auch als reale Personen. Sie brauchen ein Stück Alltag."
Was kann das St. Barbara Hospiz seinen Bewohnern bieten?
Das Hospiz ist ein Raum für Menschlichkeit. Uns ist es wichtig, dass die Menschen in dieser letzten Lebensphase eine andere Sichtweise bekommen. Da hilft uns der Umstand, dass das Hospiz von den Linzer Ordenskrankenhäusern gemeinsam mit dem Roten Kreuz betrieben wird. Diese Spiritualität ist ungemein wichtig. Wir bündeln diese Kompetenz mit jenen der Medizin, der Pflege, der therapeutischen Einrichtungen und der ehrenamtlichen Mitarbeiter. Mit dieser Mischung aus Pflegeheim und Krankenhaus bieten wir eine bestmögliche regionale Versorgung.
Was bedeutet die gemeinnützige Ausrichtung des Hospizes für Sie?
Die Gemeinnützigkeit garantiert eine optimale Zusammenarbeit aller Träger, die gemeinsam in den zuständigen Gremien des Hospizes vertreten sind. Es gibt keine Gewinnorientierung. Das ermöglicht uns, dass alle Partner an einem Strang ziehen. Das gemeinsame Ziel ist die bestmögliche Versorgung. Wäre das nicht so, müssten wir Ergebnisse optimieren.
Was bedeutet die Gemeinnützigkeit für Patienten?
Sie sorgt dafür, dass wir einen sehr niederschwelligen Zugang haben. Wir bekommen 80 Prozent vom Pflegegeld des Patienten und einen täglichen Kostenbeitrag wie im Krankenhaus. Damit ist es für den Bewohner leistbar, und er muss nicht sein Privatvermögen angreifen. Ein Thema, das dem Land Oberösterreich und der Gesundheitskasse besonders wichtig war. Man wollte hier einen offenen Zugang für alle schaffen.
Das Caritas Hospiz Wien hat gerade eine Kampagne gestartet, in der das Sterben von schwarz auf bunt umgefärbt wird. Können Sie dem Gedanken etwas abgewinnen?
Wer sich unsere Homepage anschaut, wird merken, dass sie bunt ist. Auch im Hospiz selbst haben wir viel mit Farbe gestaltet. Ich würde aber nicht sagen, dass wir umfärben, sondern wir ergänzen das Schwarz um das gesamte Farbenspektrum. Es gibt Momente, da ist der Bewohner traurig, und in anderen möchte er seinen Humor ausleben. Er soll im Hospiz die Möglichkeit haben, das Leben bis zum Schluss in all seinen Facetten auszuschöpfen.
Hospizplätze sind in Österreich immer noch rar. Welche Entwicklung wünschen Sie sich für die Zukunft?
Aus oberösterreichischer Sicht wünsche ich mir, dass die regionale Versorgung ausreichend abgedeckt ist. Ein Ausbau der Betten in Oberösterreich ist angedacht, aber derzeit noch nicht final entschieden. Ich wünsche mir für die Zukunft weiterhin einen Zugang, der allen Menschen offen steht.
Wenn Sie ein Motto oder Leitmotiv für das St. Barbara Hospiz wählen sollten, welches wäre das?
Es ist ein Zitat von Cicely Saunders, der Begründerin der modernen Hospizbewegung: ‚Dem Tag mehr Leben geben, nicht dem Leben mehr Tage.‘
Interview: Gertraud Gerst; Foto: St. Barbara Hospiz, depositphotos.com

Rudolf Wagner,
Geschäftsführer der St. Barbara Hospiz GmbH
Wagner ist seit Ende 2020 Geschäftsführer der St. Barbara Hospiz GmbH. Darüber hinaus arbeitet der ausgebildete Gesundheitswissenschafter und akademische Krankenhausmanager bei den Elisabethinen Linz-Wien als Leiter Finanzen und Controlling. Zuvor war er 14 Jahre lang als Kaufmännischer Direktor im Klinikum Freistadt tätig.