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Gesundheit
Österreich
02.12.2020

Umstieg in die Pflege: Die Krise als Chance

Pflegejobs sind sinnstiftend und krisensicher – das macht sie für Berufsumsteiger zunehmend zu einer Option. Doch das Potenzial ist längst noch nicht ausgeschöpft. Zahlreiche Fördermodelle sollen den Schritt erleichtern.

Die COVID-19-Pandemie trifft viele Branchen hart, auch den Innviertler Flugzeugkomponentenhersteller FACC: Mehr als 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden vor wenigen Wochen gekündigt. Viele von ihnen erhielten daraufhin Post vom Arbeitsmarktservice mit dem Hinweis auf eine Pflegeausbildung. Der Weg in einen Pflegeberuf könne in diesen schwierigen Zeiten auch eine große Chance sein, so Klaus Jagereder vom AMS Ried. Rund 20 Adressaten haben inzwischen bereits konkretes Interesse bekundet.

Ein langfristig sicherer, qualifizierter Job in Wohnortnähe: Diese Attribute gewinnen angesichts der Corona-Krise an Bedeutung, und sie treffen auf die Pflege zweifellos zu. Auch wenn der direkte Zusammenhang noch schwer zu verifizieren ist, scheinen die Auswirkungen bereits spürbar: „Wir sehen vermehrt Umsteiger“, berichtet Mag.a Heide Maria Jackel MBA, Leiterin des Bachelor-Studiengangs Gesundheits- und Krankenpflege an der FH Gesundheitsberufe OÖ. 

Konkret werden von den 323 Studentinnen und Studenten, die im September in Linz, Ried, Steyr, Wels und Vöcklabruck ihr Studium begonnen haben, rund 50 über eine Implacement-Stiftung unterstützt. Sie kommen aus anderen Berufen, waren auf Arbeitssuche und lassen sich nun umschulen. Während des sechssemestrigen Bachelor-Studiums erhalten sie Arbeitslosengeld plus zusätzlich 200 Euro pro Monat als ausbildungsbezogenen Zuschuss. 

Umstieg muss leistbar sein

Tatsächlich ist für Umsteiger in einen Pflegeberuf die Sicherung des Lebensunterhalts während der Ausbildung oft die zentrale Herausforderung. „Man muss den Umstieg nicht nur wollen, man muss ihn sich auch leisten können“, bringt es Mag. Dr. Michael Pagani auf den Punkt. Er hat als Regionalleiter des Bachelor- Studiengang Gesundheits- und Krankenpflege der FH Gesundheitsberufe OÖ am Standort Ried und Direktor des dortigen Vinzentinums sowohl mit FH-Studierenden als auch mit Schülerinnen und Schülern zu tun, die zur Pflegefachassistenz ausgebildet werden. 

Bei Letzteren machen Berufswechsler den Großteil aus. Doch ein Taschengeld allein, wie es den Auszubildenden am Vinzentinum zusteht, reicht kaum aus, um die persönlichen Fixkosten zu decken, die zumeist höher sind als bei jenen, die gleich nach Matura oder 10. Schulstufe ihre Pflegekarriere starten.

Gezielte Fördermaßnahmen

Eine Vielzahl von Fördermaßnahmen zielt deshalb darauf ab, Interessenten für den Um- und Wiedereinstieg in die Pflege über diese Hürde zu helfen. So erhalten Studentinnen und Studenten, die zuvor mindestens vier Jahre lang in einem anderen Job gearbeitet haben, ein Selbsterhalterstipendium – allerdings nur, wenn sie jünger als 35 sind. Seit heuer gibt es für angehende Pflege-Bachelors an der FH Gesundheitsberufe OÖ auch trägerfinanzierte Stipendien von monatlich 300 Euro, verbunden mit einer zweijährigen Arbeitsplatzgarantie nach dem Abschluss. Dieses Attraktivierungspaket wurde zum Wintersemester 2020/21 gemeinsam mit den oö. Spitalsträgern geschnürt. Nicht zuletzt ist – wie erwähnt – auch die Förderung durch eine Implacement-Stiftung möglich.

Auszubildende zur Pflegefachassistenz (zweijährig), zur Pflegeassistenz (einjährig) oder zum Fachsozialbetreuer erhalten unter bestimmten Voraussetzungen ein Fachkräftestipendium, da die Pflege aktuell als Mangelberuf anerkannt ist. Auch Stiftungsfinanzierungen, berufsbegleitende Ausbildungen und Kombi-Modelle für diese Qualifikationslevels werden angeboten. Dazu kommen – je nach Bildungseinrichtung – diverse Förderungen für Aufschulungen und Kompetenzerweiterungen.

Gute Chancen auch für Ältere

„Die Finanzierungsmodelle sind grundsätzlich gut“, sagt Michael Pagani. Es gebe aber noch Verbesserungspotenzial, denn manche Interessenten fielen derzeit trotzdem durch den Rost. „Dabei könnten wir noch mehr Umsteigerinnen und Umsteiger brauchen“, betont der Pflege-Experte.

Auch Heide Maria Jackel sieht noch Potenzial nach oben, und das nicht nur für Jüngere: „Wir setzen nach oben hin keine Altersgrenze. Es ist auch schon jemand mit 53 in die Bachelor-Ausbildung eingestiegen“, berichtet die Studiengangsleiterin. Gerade Menschen mit Lebenserfahrung könnten viel Positives einbringen. Körperliche Eignung sei natürlich ein Thema – „aber wenn jemand fit ist, spricht nichts dagegen“, bestätigt Michael Pagani. Über die Aufnahme entscheidet letztlich ein klar definiertes Prozedere mit Punktesystem und Aufnahmegespräch, in Corona-Zeiten auch online.

Attraktive Bildungskarrieren

Um den steigenden Bedarf an Gesundheitsprofis zu decken, sollten potenzielle Umsteigerinnen und Umsteiger noch mehr über die vielfältigen Berufsmöglichkeiten in der Pflege informiert werden. Wenig hilfreich ist dabei allerdings, dass in der öffentlichen Wahrnehmung Begriffe oft vermischt werden: Wenn von 24-Stunden-Pflege die Rede ist, geht es nicht um Pflege, sondern um Betreuung. Noch deutlicher betont werden sollten auch die Bildungskarrieren, die in der Pflege möglich sind: Das System ist durchgängig und bietet die Chance, sich bei Interesse höher zu qualifizieren.

So können etwa Pflegefachassistenten mit einer Zusatzprüfung in English den Bachelor-Studiengang Gesundheits- und Krankenpflege an der FH Gesundheitsberufe OÖ. beginnen, wobei ihnen bestimmte Inhalte angerechnet werden. „Über diese Schiene kommen immer mehr Studierende: Anfangs hatten nur drei Prozent unserer Einsteiger berufliche Erfahrungen in der Pflege, heute sind es bereits 17 Prozent“, erklärt Heide Maria Jackel. Und mit dem Bachelor-Abschluss stehen weitere Bildungswege bis hin zu Master- und Doktoratsstudien offen.

In Linz startet 2021 erstmals auch ein Bachelor-Studiengang Gesundheits- und Krankenpflege im Sommersemester, also am 1. März 2021. Bewerbungen sind noch bis 31. Jänner 2021 direkt über die Website www.fh-gesundheitsberufe.at möglich.

Text: Josef Haslinger; Bild: depositphotos.com

 

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