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In Deutschland fehlen zehntausende Pflegekräfte
Der Arbeitsmarkt im Bereich der Pflege ist in Deutschland leergefegt.
Mit dem Problem fehlender Fachkräfte in der Pflege sitzt Österreich mit den deutschen Nachbarn in einem Boot. Dort fehlen zehntausende Beschäftigte in der Alten- und Krankenpflege. Die Bundesregierung will binnen eines Jahres ein Maßnahmenpaket gegen den Pflegenotstand schnüren und beschließt eine Soforthilfe.
Heute sind laut Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes beinahe drei Millionen Deutsche pflegebedürftig. Die Zahl wird in den nächsten Jahren noch steigen. Rund 73 Prozent der Pflegebedürftigen können zu Hause versorgt werden. Ambulant vor stationär heißt die Devise der Politik. Bei mehr als 1,3 Millionen kümmern sich ausschließlich die Angehörigen um die Pflege. Sie erhalten Pflegegeld aber keine Hilfe von Altenpflegern. 700.000 Menschen werden daheim und mit ambulanten Diensten versorgt. 27 Prozent der Pflegebedürftigen (=783.0000 Menschen) sind auf ständige Betreuung angewiesen.
13.000 neue Stellen als Soforthilfe
Nach Aussagen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) werden bis zu 50.000 zusätzliche Pflegekräfte gebraucht. Als Soforthilfe beschließt Schwarz-Rot im Mai 2018, 13.000 neue Stellen in der Pflege zu schaffen, was für Minister Spahn ein erster wichtiger Baustein ist. Dieses Programm soll am 1.1.2019 in Kraft treten und kostet jährlich etwa eine Milliarde Euro, die zum größten Teil von der gesetzlichen Krankenversicherung kommen soll.
Stress, zu wenig Lohn und Anerkennung
Im Juli 2018 gaben Spahn, Familienministerin Franziska Giffey und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) den Startschuss zur „Konzertierten Aktion Pflege“, die Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hatten. Innerhalb eines Jahres soll der Pflegeberuf attraktiver werden, denn nicht nur der demografische Wandel ist für den Mehrbedarf an Beschäftigten verantwortlich: Die Fluktuation in diesen Jobs ist groß, Häufigkeit und Dauer von Erkrankungen bei Pflegebeschäftigten sind überdurchschnittlich hoch, ebenso die psychischen und physischen Belastungen. Druck und fehlende Anerkennung, von der Bezahlung ganz zu schweigen, kommen dazu. Mittlerweile ist die Hälfte der Pflegeeinrichtungen in Hand privater Unternehmen, was auf Kosten der Arbeitnehmer gehen kann, denn um Profit zu erwirtschaften, spart man beim Personal.
85 Prozent der Pflege ist in weiblicher Hand, beinahe drei Viertel der Beschäftigten arbeitet in Teilzeit. Angesichts der Personalnot behelfen sich derzeit Pflegeheime und -dienste mit angelerntem Personal, das zum Beispiel sechs- bis achtwöchige Grundkurse für Pflegehilfe absolviert hat. Sozialverbände und Rotes Kreuz bieten solche Kurse an, die ursprünglich für pflegende Angehörige gedacht sind.
Qualifizierte Zuwanderung
„Die Pflegekräfte leisten viel, sie haben höherer Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und Entlastung im Alltag verdient“, sagt Ministerin Giffey und meint, dass es wieder „cool“ sein müsste, in der Pflege zu arbeiten. Sie will in erster Linie junge Menschen aus dem Inland für die Pflege begeistern und spricht sich weiters für qualifizierte Zuwanderung aus. Bei Pflegekräften aus dem Ausland ginge es um junge ausgebildete Menschen, die in ihrem Heimatland keine Chance auf Arbeit haben. Man denke da an Länder wie Kosovo oder Albanien. Mit diesen Ländern müsse Deutschland Regelungen treffen, die beiden Seiten nützen.
Ziel sei es auch, dass viel mehr Beschäftigte in den Genuss tariflicher Bezahlung kämen! Bislang gelten für 80 Prozent der in dieser Branche Arbeitenden, keine Tarifbindung. Langfristig müssen wohlüberlegte Maßnahmen im Fokus sein, von flächendeckenden Tarifverträgen über Ausbildungsoffensiven bis zur besseren Unterstützung für pflegende Angehörige.
Reform der Pflegeausbildung
Mittlerweile ist auch eine neue „Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Pflegeberufe“ auf den Weg gebracht. Sie sieht eine gemeinsame Ausbildung der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege vor. Auch ein leichterer Wechsel zwischen den Bereichen und bessere Aufstiegsmöglichkeiten sind dann möglich. Die Ausbildung soll EU-kompatibel werden. Der Bundesrat muss sie noch absegnen und ab dem Jahr 2020 soll die Neuregelung dann gelten.
Schulgeld wird abgeschafft
Die künftige Ausbildung ist ein 2-plus-1-Modell: Alle Bewerber sollen mit einer zweijährigen generalisierten Pflegeausbildung beginnen. Anschließend können die Auszubildenden entscheiden, ob sie die generalisierte Ausbildung fortsetzen oder für das letzte Jahr einen spezialisierten Abschluss als Altenpfleger oder Kinderkrankenpfleger wählen. Einen Einzelabschluss in Krankenpflege wird es nicht mehr geben. Debatten führte man über das Niveau und man einigte sich darauf, dass auch Hauptschüler die Chance haben sollen, diese Ausbildung zu absolvieren. Das derzeit teilweise noch erhobene Schulgeld wird mit der Neuregelung abgeschafft.
Mag Christine Radmayr