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Österreich
14.04.2022

Auszeichnung für perinatale Palliativbetreuung

Es ist nach wie vor ein Tabuthema in unserer Gesellschaft: Kinder, die aufgrund einer schweren Erkrankung vor, während oder nach der Geburt sterben. Im St. Josef Krankenhaus Wien gibt es ein neues Unterstützungsangebot für Eltern, das mit einem Preis ausgezeichnet wurde.

Trisomie 13, Trisomie 18 oder schwere Organfehlbildungen sind Erkrankungen, die in sehr seltenen Fällen in einer Schwangerschaft auftreten können. Betroffene Kinder sterben meist vor, während oder kurz nach der Geburt. Diese Diagnosen sind so selten, dass es nur wenige spezifische Angebote für diese Familien gibt. „Nach der ersten Diagnose sind Paare oft in einem Schockzustand“, erklärt Gudrun Simmer. 

Sie ist Hebamme im St. Josef Krankenhaus Wien und hat dort gemeinsam mit einer Neonatologin, einer Klinischen Psychologin und Psychotherapeutin sowie einer Pflegefachkraft das Angebot der perinatalen Palliativbetreuung ins Leben gerufen. Seit einem Jahr werden dort Familien begleitet, deren ungeborenes Kind unheilbar krank ist.

Ein kontinuierlicher Betreuungsprozess

„In den ersten Gesprächen besprechen wir mit den Paaren die Diagnose des Kindes und unterstützen sie dabei herauszufinden, wie sie mit der Schwangerschaft weiter umgehen möchten“, sagt Simmer. Es brauche eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der alles thematisiert werden kann – wie die Zeit der Schwangerschaft und die Geburt aussehen können bis hin zu möglichen Schmerztherapien für das Kind. „Die Eltern sollen nach freien Stücken entscheiden, was ihr Weg ist.“

Wenn sich das Paar für die perinatale Palliativbetreuung entscheidet, dann beginnt ein kontinuierlicher Begleitungsprozess, der sich am individuellen Bedarf der betroffenen Familie orientiert. Er reicht von der geburtshilflichen und neonatologischen Betreuung bis hin zu Seelsorge und psychologischer Unterstützung. „In der Regel brauchen betroffene Paare eine kontinuierliche, interdisziplinäre Betreuung“, so Simmer.

Durch sogenanntes Advance Care Planning entsteht ein strukturierter und gut dokumentierter Begleitungsprozess, der sicherstellen soll, dass die Eltern optimal aufgeklärt sind und ihre Wünsche bestmöglich berücksichtigt werden. „Durch das Erklären und Vorbereiten bekommen sie ein konkretes Bild und können das gut erleben. Die Kontinuität der Betreuung schafft viel Stabilität für die Paare“, erklärt die Hebamme, die eine Dissertation zu diesem Thema geschrieben hat.

Aufbau einer Eltern-Kind-Beziehung

Dabei sei es für Eltern besonders wichtig, der Pränataldiagnostik etwas Persönliches gegenüberzustellen. „Es soll nicht der Eindruck hängen bleiben, was an dem Kind verkehrt und falsch ist. Wichtig ist, die individuellen Merkmale des Babys herauszustreichen, und so die kleine Person zu würdigen“, so Simmer. Geschieht das nicht, würden Paare das später oft als Versäumnis empfinden, denn: „Die Auseinandersetzung mit dem Kind macht die Verarbeitung gesünder.“

"Die Auseinandersetzung mit dem Kind macht die Verarbeitung gesünder."

Damit Paare die Geburt ihres Kindes möglichst ruhig erleben, gibt es die traumasensible Geburtsbegleitung. Jede Frau bekommt eine persönliche Hebamme zugeteilt, die sie individuell auf die Geburt vorbereitet und während der Geburt durchgehend begleitet. Auch im Trauerprozess erhalten die Eltern Unterstützung: „Sie können sich so von ihrem Baby verabschieden, wie sie es möchten, mit allen Ritualen, die für sie wichtig sind.“

Mit Kompetenz gegen das Tabu

Für die intensive Betreuung müssen die Betroffenen nicht selbst aufkommen. Die perinatale Palliativbetreuung im St. Josef Krankenhaus Wien ist spendenfinanziert und wurde im Vorjahr mit dem Fürst Franz Josef von Liechtenstein Preis ausgezeichnet. Diese Auszeichnung wird für besondere Leistungen zur Unterstützung von Frauen und Paaren beim Tod ihres Kindes in der Schwangerschaft oder rund um die Geburt verliehen.

Dass es nun dieses Unterstützungsangebot gibt, sei für betroffene Eltern extrem wichtig, so Simmer, denn: „Mit diesem Angebot haben wir im St. Josef Krankenhaus eine Lücke geschlossen.“ Analog zu dieser bisherigen Lücke ist auch das Thema nach wie vor ein Tabu in unserer Gesellschaft. „Gerade der Kindsverlust ist stark tabuisiert. In diesem Bereich wurde sehr wenig kommuniziert, daher gibt es auch ein geringes Bewusstsein dafür“, erklärt Simmer, die Hebamme und Sterbebegleiterin in einem ist.

Um dem Tabu entgegenzuwirken setzt man im St. Josef Krankenhaus Wien auf eine offene Kommunikation und eine hohe Kompetenz innerhalb des Personals. „Wir bieten bei uns laufend Fortbildungen zu diesem Thema an, damit auch die Kompetenz im Haus wächst.“

Text: Gertraud Gerst; Foto: Adobe Stock/Inna Vlasova

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