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Gesundheit
Österreich
15.03.2018

„Nicht die Pflege technisieren, sondern die Hilfe vereinfachen!“

youtoo-Gründer Mag. Michael Matzner über die Entwicklung eines neuen, digitalen Tools für pflegende Angehörige – und was das Uno-Spielen mit seiner Mutter damit zu tun hatte.

youtoo – was ist das?

Matzner: 430.000 Menschen in Österreich pflegen und betreuen Angehörige zu Hause, viele sind bei dieser Aufgabe allein. youtoo ist ein digitales Tool, das sie dabei unterstützt. Man kann damit Hilfe sehr einfach organisieren und andere inspirieren, sich zu beteiligen. Über eine webbasierte App, die auf jedem Endgerät funktioniert, kann man Familienmitglieder und Freunde zu einer „Helpgroup“ einladen. Wer einer solchen Gruppe angehört, sieht auf einen Blick, was zu tun ist und wer sich darum kümmert. Man kann Termine koordinieren und Informationen austauschen. Alle Inhalte werden in geschlossenen Gruppen kommuniziert, sie stehen also nur für jene zur Verfügung, die zu dieser Gruppe eingeladen sind.

Was hat Sie auf diese Idee gebracht?

Durch die Demenzerkrankung meiner Mutter habe ich erfahren, was Betreuung zu Hause bedeutet. Ich weiß seither auch, wie wichtig es ist, die Lasten, die damit verbunden sind, auf mehrere Schultern zu verteilen. Oft stand ich vor der Herausforderung, jemanden zu organisieren, der mit meiner Mutter z. B. zum Arzt geht oder auch nur mit ihr Zeit beim Uno-Spielen verbringt. Daraus ist die Idee entstanden: Helfen wir Angehörigen dabei, und packen wir das in eine digitale, möglichst einfache Lösung. So entstand das erste Social-Media-Network, das auf die Pflege von Angehörigen abgestimmt ist.

Wie haben Sie diesen Plan umgesetzt?

Die Idee hat von Anfang an überzeugt und wurde schon 2014 mit dem oberösterreichischen Innovationspreis EDISON ausgezeichnet. Durch den oö. Start-Up-Inkubator tech2b und Förderungen der Wirtschaftsagentur Wien war es möglich, die erste Version von youtoo zu programmieren. 2016 habe ich dann zusammen mit meinem Cousin und einem Freund die youtoo GmbH gegründet, an der heute die Elisabethinen als Mitgesellschafter beteiligt sind. Uns war klar, dass wir für die Weiterentwicklung der Inhalte Partner aus dem Gesundheitsbereich brauchen.

Sie selbst kommen ja nicht aus dem Gesundheitswesen, sondern bezeichnen sich als „Social Entrepreneur“.

Ich war ursprünglich als Geschäftsführer in der Holzindustrie tätig, habe mich dann aber immer mehr mit Social Impact Management beschäftigt. Da geht es vorwiegend um das Schaffen neuer Kooperationen und das gemeinsame Lösen von Aufgaben – also darum, was auch youtoo ausmacht.

Eine Pflege-App – bedeutet das nicht einen weiteren Schritt in Richtung Technisierung in diesem sensiblen Bereich?

Ziel von youtoo ist es keineswegs, menschliche Zuwendung durch Technologie zu ersetzen – ganz im Gegenteil! Mich macht es persönlich betroffen, wenn ich von Pflegerobotern lese. Da sollte sich jede und jeder von uns überlegen: Möchte ich tatsächlich so, also unter solchen Umständen, alt werden? Für mich ist die Antwort ein klares Nein. Wir sollten nicht die Pflege technisieren, sondern die Hilfe vereinfachen. Wir erleben heute, dass die technischen Möglichkeiten geradezu explodieren. Im Zentrum des Systems soll aber nicht „kalte“ Technologie stehen, sondern der Mensch. Die Technik soll immer nur Impulse für Menschen liefern. Genau das macht youtoo: Es will Menschen begeistern, anderen zu helfen, und sie dabei professionell unterstützen.

Was sind die nächsten Schritte?

Mit den Elisabethinen haben wir einen strategischen Partner gefunden, um youtoo weiterzuentwickeln und gezielt zu verbreiten. So können wir youtoo für alle Patientinnen, Patienten und Angehörigen in Oberösterreich im Ordensklinikum Linz und in anderen Einrichtungen der Elisabethinen kostenlos zur Verfügung stellen. Auch in den Spitälern der gespag wird das in absehbarer Zeit der Fall sein, ein Pilotprojekt im Krankenhaus Rohrbach startet in Kürze. Wir laden auch alle anderen Player im Gesundheits- und Sozialbereich ein, dieses Tool zu nutzen.

Wie wird sich youtoo weiterentwickeln?

Mit youtoo lässt sich Hilfe für Pflegebedürftige im Team einfach organisieren und abstimmen. Ergänzend dazu wird als weitere Funktionalität verstärkt Information und Fachwissen zum Thema Pflege angeboten – kompakt und professionell. Angehörigen fehlt oft das Wissen, wie sie richtig pflegen und wo sie die nötigen Hilfsmittel bekommen. Das Tool bietet auch Riesenmöglichkeiten für professionelle Pflegeanbieter, sich einzubringen. Hier gibt es allerdings derzeit noch rechtliche Hindernisse. Daher arbeiten wir an kryptographischen Verschlüsselungsmöglichkeiten, wie einer elektronischen Signatur. Das ist ein langfristiges Projekt, das noch Jahre dauern wird. Wir werden jedenfalls auch in Zukunft punktgenau bei unserer Nische „Pflegende Angehörige“ bleiben. Schließlich ist das angesichts der demografischen Entwicklungen eine der großen Herausforderungen.

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