Mobiles Hospiz für schwer kranke Kinder
Kinder und Jugendliche, die an einer lebensverkürzenden Krankheit leiden, müssen speziell begleitet und betreut werden. Wiens mobiles Kinderhospiz Momo unterstützt Eltern in der schwierigen Zeit nach der Diagnose.
Anton ist vier Monate alt. Im lichtdurchfluteten Wohnzimmer liegt er eingekuschelt in seiner Wiege und verfolgt gebannt die Bewegungen des bunten Mobiles über ihm. Er wird heute von der Kinderärztin Martina Kronberger-Vollnhofer und der Palliativmedizinerin Annette Henry untersucht. Anton genießt den Körperkontakt und lächelt. Im zweiten Lebensmonat wurde bei ihm eine spinale Muskelatrophie (SMA Typ 1) diagnostiziert. Eine Erkrankung, an der Kinder bereits in den ersten Lebensjahren versterben können. Seit zwei Wochen atmet er angestrengter und tut sich beim Trinken schwer. Die Kinderärztin bereitet die Mutter darauf vor, dass der Zeitpunkt für eine Ernährungssonde möglicherweise näher rückt. Die Atmosphäre des ärztlichen Gespräches ist familiär und vertraut, die Ärztinnen betreuen den jungen Patienten und seine Familie mit voller Ruhe und Aufmerksamkeit.
Betreuung in gewohnter Umgebung
„Im Gegensatz zu ÄrztInnen in Spitälern oder niedergelassenen KollegInnen – die oft unter großem Zeitdruck arbeiten – können wir uns die Zeit nehmen, die das schwerstkranke Kind und seine Angehörigen gerade brauchen. Es ist schön, dass wir betroffene Familien zu Hause besuchen können und somit in ihrer gewohnten und sicheren Umgebung kennenlernen“, erklärt Kronberger-Vollnhofer. Sie ist die Leiterin von Momo, Wiens mobilem Kinderhospiz.
„Es ist schön, dass wir betroffene Familien zu Hause besuchen können und somit in ihrer gewohnten und sicheren Umgebung kennenlernen“, meint Momo-Leiterin Martina Kronberger-Vollnhofer.
Vor allem die sichere Umgebung zuhause ist für betroffene Familien besonders wichtig. Denn nach der Diagnose einer schweren Krankheit ist nichts mehr wie früher. „Lange Aufenthalte im Krankenhaus folgen, und oft wünschen sich Kinder und Eltern nichts sehnlicher, als zu Hause zu sein“, sagt die Kinderärztin, die über 20 Jahre im St. Anna Kinderspital tätig war. Aber ohne professionelle Unterstützung ist das meist nicht möglich. „Das Team von Momo möchte betroffenen Familien diese professionelle und umfassende Unterstützung sein, um die bleibende Zeit zu einer möglichst guten zu machen. Jede Familie erhält individuell, je nach Betreuungsbedarf, Hilfe“, führt Kronberger-Vollnhofer aus.
Ein multiprofessionelles Team
Aktuell kümmert sich das multiprofessionelle Team von Momo um 95 schwerstkranke Kinder und ihre Familien im Raum Wien. Neben Pädiatrie, Neonatologie und Palliativmedizin wird eine Reihe weiterer Bereiche abgedeckt, wie die Krankenpflege, Sozialarbeit, Musiktherapie und psychologische Begleitung.
Unterstützt wird das 20-köpfige Team von 45 ehrenamtlichen Mitarbeitern, die in Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung geschult sind. Sie ergänzen das Palliativteam auf psychosozialer Ebene und verbringen zwei bis drei Stunden pro Woche bei ihrer zugeteilten Familie. „Durch ihr Dasein, ihre Zuwendung, aber auch Flexibilität und Kreativität, Ruhe, Gelassenheit und Offenheit bringen sie Erleichterung in die Familien“, ergänzt die Momo-Leiterin.
Kinder und Tod: ein Tabuthema
Meist sind es Spitäler, die Momo kontaktieren und anfragen, ob die mobile Betreuung für ein Kind, das aus dem Krankenhaus entlassen wird, übernommen werden kann. Es kommt aber auch vor, dass Familien selbst anrufen. „Manchmal sind es auch Freunde oder Verwandte der Familie, die Momo um Rat bitten“, erzählt Kronberger-Vollnhofer. Durch die gute Vernetzung der Einrichtung im Gesundheitsbereich sei Momo mittlerweile zu einer Anlaufstelle für betroffene Familien geworden.
Ein Hemmschuh für Angehörige von Kindern mit eingeschränkter Lebenserwartung ist oft die Angst vor der Thematik. Manche Elternteile tun sich schwer, über die Krankheit und den Tod zu sprechen. „Der Tod ist ein Tabuthema, besonders bei Kindern“, beschreibt die Kinderärztin die Problematik. Außerdem hätten Angehörige oft falsche Vorstellungen von der Arbeit des Hospiz- und Palliativteams. „Momo ist hauptsächlich lebensbegleitend tätig. Das Team erlebt und begleitet die Familie nicht nur in sehr belastenden Situationen, sondern darf sich auch mit ihnen gemeinsam an positiven Entwicklungen und Wendungen erfreuen.“
Bedarf bei weitem nicht gedeckt
Gegründet wurde Momo 2013 von Caritas, Caritas Socialis und Moki, der Mobilen Kinderkrankenpflege. Das interdisziplinäre Team um Kronberger-Vollnhofer schloss damit einen Teil der bestehenden Betreuungslücke. Obwohl Momo 2019 erstmals eine Förderung durch die Stadt Wien erhielt, wird die Arbeit nach wie vor größtenteils über Spenden finanziert.
Für die Zukunft wünscht sich die Leiterin von Momo „ein stationäres Kinderhospiz und eine österreichweite Regelfinanzierung“. Laut Dachverband Hospiz Österreich sei eine einheitliche Lösung in allen Bundesländern deshalb so schwierig, weil die Kinder-Hospiz-Teams ein relativ neuer Bereich sind, der sich nicht einem einzelnen Etat zuordnen lässt.
Rund 5.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene leiden in Österreich jährlich an schweren, lebensverkürzenden Erkrankungen, so die Schätzungen des Verbandes. Mittlerweile gibt es neben stationären Kinder-Hospizen zwar in allen Bundesländern mobile Angebote, die bundesweite Bedarfsdeckung sei jedoch bei weitem nicht gegeben, kritisiert der Dachverband.
Text: Gertraud Gerst; Bild: Martina Konrad-Murphy