INnovation
Gesundheit
Österreich
22.02.2022

„Wir haben gelernt, in den Augen zu lesen!“

Zwei Jahre Covid-19-Pandemie haben auch in der Spitalsseelsorge vieles verändert. Bruno Kainzner, Leiter des Seelsorgeteams am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried, schildert seinen Alltag zwischen Gottesdiensten vor fast leeren Bänken und Kommunionspenden im Schutzanzug.

Covid-19 hat viele Menschen im Gesundheitswesen an ihre Grenzen gebracht – auch in der Seelsorge?

Bruno Kainzner: Die vergangenen zwei Jahre haben tatsächlich auch für uns immense Veränderungen und deutlich mehr Arbeit bedeutet. So eine Pandemie wirft für jeden Menschen Lebens- und Sinnfragen auf, umso mehr für jene, die schwer erkrankt sind. Warum hat es mich getroffen, wie geht es weiter – geht es weiter? Im seelsorglichen Gespräch nehmen wir uns Zeit zum Zuhören, auf Wunsch auch zum gemeinsamen Gebet. Und es gab auch deutlich mehr Verabschiedungen. Üblicherweise versterben in unserem Krankenhaus jährlich rund 400 Menschen, zuletzt waren es 490.  

Seelsorge heißt nicht zuletzt Nähe. Wie sehr hat Sie die Pandemie dabei eingeschränkt?

Auch für unser Team gelten die Sicherheitsmaßnahmen im Umgang mit Covid-Patient*innen. Selbst die Krankenkommunion wird im Schutzanzug gespendet. Auch bei uns gibt es Angst vor Ansteckung. Aber wir haben nie aufgehört, die Menschen zu berühren, sei es bei der Krankensalbung, beim Sterbesegen oder auch bei der Verabschiedung. Sehr schwierig war die Zeit, als kaum Angehörige mit dabei sein durften, weder in den Schwerkrankenzimmern noch in unserem Verabschiedungsraum. Was die Maske betrifft, so haben wir in dieser Zeit noch mehr gelernt, in den Augen zu lesen. Aber da ergeht es wohl allen so.

"Selbst die Krankenkommunion wird im Schutzanzug gespendet."

Wie nehmen Sie die starke Belastung der Mitarbeiter*innen auf den Stationen, in den Abteilungen wahr?

Wir sehen natürlich, wie stark viele Mitarbeiter*innen derzeit belastet sind. Das sind enorme Herausforderungen, körperlich, psychisch und emotional, gerade vor dem Hintergrund, dass viele Spitalsaufenthalte wegen Covid-19 zu vermeiden wären. Ich nehme mir immer sehr gerne Zeit, um auf den Stationen kurz zu plaudern, bei einem Kaffee oder einem Stück Schokolade ein wenig zu „ratschen“, wie es im Innviertel heißt. Das ist für viele Mitarbeitende wichtig, und umgekehrt sind auch wir für die gute Zusammenarbeit mit den Pflegemitarbeiter*innen dankbar. Sie sind für Patient*innen die unmittelbaren Bezugspersonen, daher führt der erste Schritt zur Seelsorge oft über sie. Sie erkennen aber auch, wo nicht unser Team, sondern die Klinische Psychologie gefragt ist. Diese Bereiche greifen sehr niederschwellig ineinander.

Wie wirkt sich die Pandemie auf die Gottesdienste im Krankenhaus aus?

Da hat uns Corona massiv eingebremst. Wir stellen fest, dass seit Beginn der Pandemie deutlich weniger Patient*innen zu den Gottesdiensten in die Krankenhauskapelle kommen, und zwar noch weniger, als es nach den jeweils aktuellen Bestimmungen sein dürften. Das war diesmal sogar zu Weihnachten so, und das schmerzt sehr, auch wenn es die Möglichkeit gibt, die Gottesdienste über den TV-Hauskanal in den Zimmern mitzufeiern. Jedenfalls ist es eine Herausforderung für uns, diesen Trend wieder umzukehren. Denn das Bedürfnis nach Spiritualität ist ja deshalb nicht verschwunden.

Woraus schließen Sie das?

Unsere schöne, stimmungsvolle Krankenhauskapelle ist seit einiger Zeit rund um die Uhr zugänglich, und ich treffe oft Menschen hier an, die in der Stille neue Kraft schöpfen wollen. Es liegt in der Kapelle auch ein Bitt- und Dankbuch auf, in das Patient*innen und Angehörige ihre persönlichen Gebetsanliegen und Gedanken schreiben können. Was man da liest, ist oft zutiefst berührend. Es bestätigt uns im Seelsorgeteam, auch während dieser Pandemie den Menschen unser Angebot nahezubringen. Wir möchten vermitteln, dass es ihnen guttut.

Interview: Josef Haslinger; Fotos: depositphotos.com

Bruno Kainzner, Mag.

Leiter der Seelsorge im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried

Bruno Kainzner war als Pastoralassistent in mehreren Pfarren, als Religionslehrer und als Leiter einer Tagesheimstätte für Menschen mit geistiger Behinderung tätig. Heute leitet der 64-Jährige die Seelsorge im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried. Der Innviertler ist verheiratet, Vater von drei Kindern und in seiner Freizeit begeisterter Musiker und Tennisspieler.

Haben Ihnen diese Artikel gefallen?

Erhalten Sie regelmäßig alle relevanten Nachrichten aus dem österreichischen Gesundheitswesen.