Community Nurses bringen Gesundheits- und Pflegeexpertise näher an die Bürger*innen
In vier der 123 Community-Nurse-Pilotprojekte, die heuer den Zuschlag für eine EU-Förderung erhalten haben, sind auch Unternehmen der Vinzenz Gruppe involviert. Über den gerade anlaufenden Start und die Pläne für den Förderzeitraum sprachen Verantwortliche der beiden ostösterreichischen Projekte „Gemeinden gut versorgt“ und „Community Nurse – Grätzlpflege Landstraße“ mit der Online-Plattform INGO.
Es ist ein zwar international etabliertes, für Österreich aber ganz neues Berufsbild, das gerade in Form von Pilotprojekten gemäß dem österreichischen Aufbau- und Resilienzplan (ARP) installiert wird: jenes der Community Nurse. Dabei handelt es sich um ausgebildetes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal (DGKP), das Menschen wohnortnah, niederschwellig und bedarfsorientiert zur Seite steht. 54,2 Millionen Euro hat die EU dafür bereitgestellt, 123 Projekte in allen neun Bundesländern erhielten einen Fördervertrag vom Bund. Im Pilotzeitraum sind Menschen über 75 Jahre sowie pflegende Angehörige die Hauptzielgruppe.
Dabei sei es nicht das Wesentliche, ob die Community Nurse in der Stadt, am Land oder gar – wie in der Kooperation des Wiener Göttlicher Heiland Krankenhauses mit drei niederösterreichischen Gemeinden – regionenübergreifend tätig werde, sagt David Pötz, Geschäftsführer des Herz-Jesu Krankenhauses und des Göttlicher Heiland Krankenhauses. „Ihr Charakteristikum ist, dass sie die Menschen an der Hand nimmt und ihnen hilft, sich im Gesundheits- uns Sozialsystem zu orientieren. Wie sie das macht, passt sie den Strukturen in ihrem jeweiligen Einzugsgebiet an.“
"Bemerkenswert ist auch die Brückenfunktion einiger Community-Nurse-Projekte zwischen Gesundheit- und Sozialwesen", meint Jana Bockholdt, Geschäftsführerin der Barmherzige Schwestern Pflege GmbH, "bislang waren diese Bereiche strikt getrennt."
Ein Schwerpunkt sei zudem Health Literacy, also die Vermittlung von Gesundheitskompetenz, erklärt Pötz. „Ein Thema, das für alle Österreicher*innen wichtig ist.“ Und Jana Bockholdt, Geschäftsführerin der Barmherzige Schwestern Pflege GmbH, ergänzt: „Bemerkenswert ist auch die Brückenfunktion einiger Community-Nurse-Projekte zwischen Gesundheits- und Sozialwesen. Bislang waren diese Bereiche strikt getrennt.“ Nun können sie auch Hand in Hand gehen. „Community Nurses vermitteln, was gebraucht wird, um Menschen so lange wie möglich gesund zu erhalten oder sie zu unterstützen, wenn sie pflegebedürftig werden. Das kann soziale Themen ebenso berühren wie medizinische.“
Großstädtischer Gesundheitspark und Wienerwaldgemeinden
In diesem Rahmen sind das Pflegehaus St. Louise der Barmherzigen Schwestern Pflege GmbH und der Gesundheitspark des Göttlicher Heiland Krankenhauses Teil einer ganz besonderen Konstellation: Sie sind Kooperationspartner der Wienerwaldgemeinden Maria Anzbach, Asperhofen und Altlengbach. Deren Community-Nurse-Pilotprojekt, das unter dem Namen „Gemeinden gut versorgt“ läuft, haben also gleich fünf Stakeholder aus zwei Bundesländern zusammen aufgesetzt, wobei Maria Anzbach die Trägergemeinde ist. Die Projektleitung obliegt dem in Maria Anzbach ansässigen Pflegehaus St. Louise, das auch die Verantwortung für die Community Nurses trägt. „Wir können hier all unsere Kompetenzen aus der Langzeitpflege und aus den Gesundheitseinrichtungen einbringen“, unterstreicht Bockholdt. „Die Community Nurses agieren zwar weitgehend selbstständig als zentrale Anlaufstelle für insgesamt 10.000 Einwohner*innen, können dabei aber auf das gebündelte Wissen aller beteiligten Einrichtungen zurückgreifen.“ So gehöre etwa auch der jederzeit mögliche Austausch mit den im Gesundheitspark Göttlicher Heiland tätigen Ärzt*innen, Diätolog*innen, Physiotherapeut*innen, Wundmanager*innen, Psycholog*innen und weiteren Expert*innen zum Konzept. Zudem besäßen die Community Nurses als DGKP selbst eine hohe fachliche Kompetenz.
„Selbstverständlich kann eine Community Nurse auch ein Er sein“, weist die Geschäftsführerin nicht nur auf den Diversity-Gedanken, sondern auch auf die Realität des Projekts hin: Es beschäftigt mehrere Frauen und einen Mann. Die ersten beiden Nurses gingen mit Juni an den Start, im Lauf des Sommers werden ein bis zwei weitere folgen. „Wir haben insgesamt drei Vollzeitäquivalente“, berichtet Bockholdt. „Die Community Nurses haben moderne Kommunikationsmittel zur Verfügung und es wird Beratungszeiten in der Gemeinde geben, hauptsächlich werden sie die Menschen aber proaktiv in ihrem Zuhause aufsuchen.“ Am Jobprofil seien nicht nur die geregelten Dienstzeiten attraktiv, sondern auch das innovative Aufgabenfeld als Koordinator*innen unterschiedlichster Gesundheits- und Sozialleistungen mit einem hohen Maß an Verantwortung und Entwicklungspotenzial.
„Im Grunde hat der Gesundheitsbereich mit den Community Nurses nun erstmals wirklich unabhängige Servicestellen“, hebt Krankenhausmanager David Pötz hervor. „Finanziert werden nicht Einzelleistungen nach einem definierten Leistungskatalog, sondern das Zur-Verfügung-Stehen an sich: für Beratung, Begleitung, Vermittlung von Expertise und alles, was sich aus der Erhebung des Bedarfs vor Ort ergibt, beispielsweise das Organisieren von Veranstaltungen oder das Knüpfen von Kontakten mit bestehenden Initiativen. Das ist innovativ und außerordentlich spannend.“
"Im Grunde hat der Gesundheitsbereich mit den Community Nurses nun erstmals wirklich unabhängige Servicestellen", betont Krankenhausmanager David Pötz.
Rund um den Gemeindebau
Auch mitten in Wien laufen intensive Vorbereitungen für die Eröffnung eines Community-Nurse-Stützpunktes, und zwar für das Einzugsgebiet rund um den Rabenhof, einen Gemeindebau im dritten Wiener Bezirk mit etwa 1.100 Wohnungen. „Community Nurse – Grätzlpflege Landstraße“ nennt sich das Pilotprojekt, für das sich der Gesundheitspark Herz-Jesu Wien und der Fonds Soziales Wien (FSW) zusammengetan haben: der FSW als Fördernehmer, der Gesundheitspark als Kooperationspartner. „Wir sind für die inhaltliche Umsetzung verantwortlich“, erklärt Sandra Schiesbühl, Managerin des Gesundheitsparks Herz-Jesu Wien. „Nachdem wir unsere Räumlichkeiten im Rabenhof nun hergerichtet haben, werden nach und nach drei bis vier Community Nurses im Rahmen eines Vollzeitäquivalents ihren Dienst antreten.“
Zu tun gibt es viel. „Zunächst ist es uns wichtig, uns mit anderen Gesundheitsanbieter*innen in unserer Gegend zu vernetzen“, erklärt Schiesbühl. „Etwa mit niedergelassenen Ärzt*innen, Spitälern, Pflegeeinrichtungen, ambulanten Tageszentren, aber auch Apotheken oder Sanitätsbedarf-Geschäften.“ Das Entgegenkommen und die positiven Rückmeldungen, die man von dieser Seite bislang bekommen habe, machen durchaus Hoffnung auf Synergien, erzählt die Gesundheitspark-Managerin. Die Herausforderung im urbanen Bereich sei es nämlich, in einer bestehenden Struktur seinen Platz zu finden. „In der Großstadt gibt es naturgemäß mehr Angebote als am Land, aber wir sind überzeugt davon, dass die Community Nurses auch hier einen Mehrwert bringen.“ So seien etwa Überschaubarkeit und Fußläufigkeit von großer Bedeutung für die Zielgruppe der älteren Menschen, aber auch die Hausbesuche, die niederschwellige Beratung und die Aktivitäten in Wohnungsnähe. „Die EU-Förderung gibt uns jetzt die Möglichkeit, beispielsweise Kurse und Events gratis anzubieten, die sich sonst nicht jede*r hätte leisten können. Wir können so unter anderem auch Senior*innen mit kleinen Pensionen erreichen.“
Menschen in ihren unmittelbaren Lebenswelten aufzusuchen helfe auch dabei, den tatsächlichen Bedarf zu erheben. Man komme ins Gespräch und könne Unterstützung anbieten, so Schiesbühl. Gruppensettings wiederum, wie beispielsweise bei einer Nachmittagsjause oder Informationsveranstaltung vor Ort, ermöglichen den sozialen Austausch und natürlich auch die Aufklärung über Gesundheitsthemen. „An so einem neuen, innovativen Projekt beteiligt zu sein, motiviert uns sehr“, unterstreicht Schiesbühl. „Besonders schätzen wir den starken sozialen Fokus und die Wertschätzung, die dem Pflegeberuf damit entgegengebracht wird.“ Community Nurses seien Pionier*innen mit einem großen Gestaltungsspielraum. „Alle, die hier mitwirken, vereint die Neugierde und das Interesse daran, etwas Neues aufzubauen.“ Darüber hinaus stünde auch hier die geballte Expertise der im Rahmen des Gesundheitsparks Herz-Jesu vernetzten Ärzt*innen, Diätolog*innen und anderen Expert*innen im Hintergrund. „Die Netzwerkkompetenz, die wir hier aufgebaut haben, kommt nun sowohl unseren Nurses wie auch unseren Klient*innen zugute.“
Neben den Senior*innen widmet man sich im Rabenhof-Grätzl auch berufstätigen Anrainer*innen, für die man ein Schulungsangebot zur Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz entwickeln will, sowie Menschen mit Bewegungseinschränkungen. Das Herz-Jesu Krankenhaus, zu dem der Gesundheitspark gehört, hat eine Spezialisierung auf den Bewegungsapparat. Auch der Gesundheitspark hat einen entsprechenden Fokus. „Bewegungsgruppen etwa könnten hilfreich sein, um die Mobilität zu verbessern“, so Schiesbühl. Und für die pflegenden Angehörigen, einen weiteren Schwerpunkt, werde es Beratung geben, aber durchaus auch Angebote für die eigene seelische und körperliche Gesundheit. „Das können zum Beispiel Gesprächsgruppen sein oder auch Entspannungstechniken.“
Sowohl David Pötz und Jana Bockholdt als auch Sandra Schiesbühl hoffen darauf, dass es nach Ablauf des Pilotzeitraums mit Ende 2024 mit den Community Nurses weitergehen wird. „Ich bin zuversichtlich“, sagt Pötz. „Es ist jetzt einmal eine tolle Chance zu zeigen, dass der Bedarf absolut gegeben ist.“ Jana Bockholdt weist auf die laufende Evaluierung durch die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) hin: „Dadurch werden wir exakt sehen, welche Maßnahmen besonders gut ankommen, aber auch, wo man sich noch weiter verbessern oder etwas ergänzen kann.“ Im Gesundheitspark Herz-Jesu Wien denkt man bereits an eine Ausweitung des Community-Nurse-Einsatzes in andere Bezirksteile. „Bei uns im dritten Bezirk wird Anfang 2025 das neue Stadtentwicklungsprojekt ,Village im Dritten‘ fertiggestellt, das sich dafür anbietet. Im Bauteil ,Bella Vista‘ wird der Gesundheitspark dann einen salutogenetischen Stützpunkt eröffnen, da würde eine Community Nurse mit ihren sozialen und pflegerischen Themen perfekt dazupassen.“
Text: Uschi Sorz; Fotos: Alek Kawka; Herz Jesu Krankenhaus, MEDIA-N Norbert Novak

Jana Bockholdt, MAS
Geschäftsführerin der Barmherzige Schwestern Pflege GmbH
Bockholdt ist ausgebildete diplomierte Krankenschwester, hat an der Donauuniversität Krems Gesundheitsmanagement studiert und ist akademisch geprüfte Krankenhausmanagerin sowie gerichtlich beeidete Sachverständige für Krankenpflege. Sie war Pflegedirektorin im Hilfswerk Niederösterreich. Seit 2014 ist sie Geschäftsführerin der Barmherzige Schwestern Pflege GmbH, zu der alle Pflegehäuser der Vinzenz Gruppe gehören.

Sandra Schiesbühl, MSc, MPH
Managerin des Gesundheitsparks Herz-Jesu Wien
Schiesbühl hat Gesundheitsmanagement und Public Health studiert. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Assistentin der Geschäftsführung und Kaufmännischen Direktion im Herz-Jesu Krankenhaus hat sie seit Februar dieses Jahres die Verwaltungsdirektion eines neuen ambulanten Rehabilitationszentrums des zum Verbund der Vinzenz Gruppe gehörenden Vinzenz-Ambulatoriums in Wien-Meidling übernommen. Es befindet sich aktuell im Aufbau und startet voraussichtlich im Spätsommer mit dem Betrieb. Zudem ist sie seit vier Jahren Managerin des Gesundheitsparks Herz-Jesu Wien und leitet daher auch das Community-Nurse-Projekt „Grätzlpflege Landstraße“.

David Pötz, Mag., MSc, LL.M
Geschäftsführer des Herz-Jesu-Krankenhauses sowie des Göttlicher Heiland Krankenhauses
Pötz hat in Wien Internationale BWL studiert und Postgraduate-Studien am Management Center Innsbruck (MCI) und an der Johannes-Kepler-Universität Linz absolviert. Er war Geschäftsführer-Stellvertreter im Fachverband der Gesundheitsbetriebe der WKO, leitete dann das Ambulatorium von Döbling kaufmännisch und Projekte der Privatklinik Döbling, bis er 2009 zur Vinzenz Gruppe wechselte. Von 2009 bis 2020 war er dort Geschäftsführer des Orthopädischen Spitals Speising. Seit 2014 ist er Geschäftsführer des Herz-Jesu-Krankenhauses und seit 2020 zusätzlich Geschäftsführer des Göttlicher Heiland Krankenhauses. Er lehrt regelmäßig an der FH Burgenland.