Kommt die Diagnose der Zukunft vom Computer?
Mit Algorithmen gefütterte Systeme sollen in Zukunft Krebszellen mit einer höheren Genauigkeit erkennen als erfahrene Radiologen. Erst jüngst hat Googles Künstliche Intelligenz „DeepMind“ für entsprechende Schlagzeilen gesorgt. Macht die digitalisierte Patientendiagnostik den Beruf des Radiologen bald überflüssig? Ein Interview mit Manfred Gschwendtner von der Radiologie des Ordensklinikum Linz.
Computer sollen in Zukunft die Krebsdiagnostik besser erstellen können als Menschen. Ist der zukünftige Mediziner dann noch Arzt oder eher schon Digital-Health-Experte?
Manfred Gschwendtner: Künstliche Intelligenz wird bei den Radiologen kontroversiell diskutiert, ist jedoch nichts Neues. Digitale Diagnostikverfahren wurden bereits vor 25 Jahren entwickelt. Sie wurden als CAD - Computer Aided Diagnostics insbesondere bei mammografischen Verfahren eingesetzt. In den letzten Jahren wurden diese Systeme durch die Sammlung von enormen Datenmengen deutlich verbessert. Waren zu Beginn der CAD-Ära falsche positiven Aussagen sehr häufig, so kann man durchaus davon ausgehen, dass die Arbeitslast von Mammaradiologen in der Früherkennung von pathologischen Befunden durch den Einsatz von KI zukünftig reduziert werden kann. Da die Mammografie jedoch auch immer mit einer klinischen Untersuchung einhergeht, ist der Arzt weiterhin essentieller Bestandteil dieser Untersuchung. Derzeit ist die Mammasonografie aber für die Diagnostik durch KI noch nicht ersetzbar.
Einer erst kürzlich veröffentlichen Studie in dem Fachmagazin „Nature“ zufolge soll Googles Künstliche Intelligenz „DeepMind“ Brustkrebs besser erkennen als Radiologen. Kann denn eine Software erklären, warum sie ein Bild verdächtig findet?
Bei dieser Studie wurden Daten von 26.000 Patientinnen mit über 80.000 digitalen Aufnahmen verwendet. Sowohl die falsch positiven als auch falsch negativen Befunde waren bei den Screening Untersuchungen in der Befundung durch KI besser als die Mammaradiologen. Die Hauptaussage der Studie war jedoch, dass durch die KI die in der Mammaradiologie notwendigen Doppelbefundungen durch unterschiedliche Radiologen reduziert werden können. Prinzipiell basiert die KI bei der Mammografie auf die Detektion von Dichtemessungen, die mit großen Datenmengen bereits verfügbarer Mammografien verglichen werden. Durch die Vergrößerung dieser Datenmengen stellt sich für das System auch ein Lerneffekt ein, sodass eine weitere Verbesserung der Systeme sicher zu erwarten ist.
Radiologen müssen doch tagtäglich eine ziemliche Anzahl an medizinischen Bildern untersuchen. Der Einsatz von KI könnte ihnen diese Arbeit abnehmen. Ist der Job des Radiologen dadurch schon bald überflüssig?
Die Arbeit der Radiologen besteht nicht nur in der Bildinterpretation. Unsere Aufgabe ist es auch, notwendige klinische Daten in den Befund zu integrieren. Das ist mit KI nicht zu verwirklichen. Aufgrund der Vielzahl von diagnostischen Möglichkeiten und hinsichtlich der Altersstruktur wird sich der Bedarf an radiologischen Untersuchungen sicher noch deutlich erhöhen.
„Unsere Aufgabe ist es auch, notwendige klinische Daten in den Befund zu integrieren. Das ist mit KI nicht zu verwirklichen.“
Kann der Einsatz von KI Ihrer Ansicht nach denn auch für Wirtschaftlichkeit sorgen, also die Behandlungskosten bei der Früherkennung und der Diagnose sowie Behandlung von beispielsweise Brustkrebs senken?
Die Kosten für die Mammografie pro Patientin lässt sich durch den teilweisen Wegfall der Doppelbefundung sicherlich reduzieren. Andererseits werden durch die Screeningverfahren die Gesamtanzahl der Untersuchungen steigen.
Sind denn Ihrer Einschätzung nach die Patienten schon bereit für den Einsatz von KI?
Wir haben in den letzten Jahren eine digitale Revolution erlebt, denken Sie an das Smartphone. So wird es auch in einigen Bereichen der radiologischen Diagnostik zu Veränderungen kommen. Wichtig ist auch in Zukunft, dass der Patient im Mittelpunkt bleibt und all die digitalen „Helferlein“ uns dabei unterstützen.
Interview: Rosi Dorudi; Bild: www.depositphotos.com

Manfred Gschwendtner, Dr.
Leiter der radiologischen Abteilung am Ordensklinikum Linz
Gschwendtner startete Mitte der 1980er Jahre seine medizinische Karriere am Krankenhaus der Elisabethinen Linz. Seit 2017 leitet er die Radiologie des Ordensklinikums Elisabethinen und Barmherzige Schwestern, sowie des UKH Linz. Seine Expertise in den Bereichen der Angiografie und der interventionellen Radiologie verfeinerte er während mehrerer wissenschaftlicher Aufenthalte unter anderem in den USA und Frankreich. Als erster Radiologe in Österreich führte er die Stentimplantation in der Carotisarterie und die perkutane Vertebroplastie in die Praxis ein. Er war Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (ÖGIR) und ist Mitglied der ÖRG sowie der Cardiovascular and Interventional Radiological Society of Europe (CIRSE).