INnovation
Gesundheit
Österreich
15.03.2023

„Wir decken hier sämtliche Fachbereiche der Infektionsmedizin ab.“

Infektionskrankheiten gehören zum alltäglichen Leben dazu. Doch nicht jeder Infekt verläuft harmlos. Nach Herz-Kreislauf- und Tumorerkrankungen machen Infektionen immerhin die dritthäufigste Todesursache aus.

Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig schnell verfügbare infektiologische Expertisen vor allem bei akuten Ausbruchsgeschehen sind. Basierend auf 50 Jahren Erfahrung im Umgang mit Infektionen hat das Ordensklinikum Linz im Februar 2023 Österreichs erstes interdisziplinäre Zentrum für Infektionsmedizin und Mikrobiologie (iZIM) gestartet. INGO sprach darüber mit Prim.a Univ.-Prof.in Dr.in Petra Apfalter, Leiterin des neuen Zentrums.

Was genau ist unter Infektionsmedizin zu verstehen?

Petra Apfalter: Darunter versteht man ein umfassendes Management von Infektionen. Es werden also nicht nur Befunde erstellt, sondern eine hochwertige mikrobiologische Diagnostik wird in einen klinischen Kontext gesetzt und interpretiert, für die*den Patientin*en bedeutet das fachgerechte Behandlung und Nachsorge.

Anfang des Jahres ist dazu am Ordensklinikum Linz das österreichweit erste interdisziplinäre Zentrum für Infektionsmedizin und Mikrobiologie, kurz iZIM, an den Start gegangen. Wie wurden Infektionserkrankungen bei Ihnen zuvor gemanagt?

Wir sind am Ordensklinikum Linz Elisabethinen insofern begünstigt, da es hier schon sehr lange ein Institut für Hygiene, klinische Mikrobiologie und Tropenmedizin gibt. Das ist eine Besonderheit im Vergleich zu anderen österreichischen Krankenhäusern, denn hier wird nicht nur ein gesondertes mikrobiologisches Labor betrieben, sondern hier werden auch Patient*innen gesehen. Eine einzigartige Konstellation bildet hier auch unsere Zusammenarbeit mit unserem langjährigen zertifizierten Laborpartner „analyse BioLab“, der im Übrigen auch nationales Referenzzentrum für antimikrobielle Resistenzen ist. Wir decken hier also sämtliche Fachbereiche der Infektionsmedizin ab.

Welche sind diese?

Dazu gehören die Fachbereiche Bakteriologie, Mykobakteriologie, Mykologie, Virologie, Serologie, Parasitologie, Molekularbiologie und Technische Hygiene. Wir können daher bei Infektionen von der Beratungund Prävention, über die spezifische Prophylaxe bis hin zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge alles unter einem Dach anbieten.

"Durch den Austausch von Fachwissen und der Zusammenarbeit aller medizinischen Disziplinen können wir den Patient*innen die bestmögliche Therapie anbieten."

Welche Aufgaben übernimmt nun das neu gegründete interdisziplinäre Zentrum für Infektionsmedizin und Mikrobiologie?

Da in jeder Fachdisziplin Infektionen vorkommen, sind wir als zentrale Anlaufstelle für alle klinischen Abteilungen des Ordensklinikums in die Betreuung und Abwicklung rund um die Thematik eingebunden. In anderen Worten: wir organisieren als „Drehscheibe“, dass die benötigen Expertisen alle Fachdisziplinen zusammenkommen. Durch den Austausch von Fachwissen und der Zusammenarbeit aller medizinischen Disziplinen können wir breite Differenzialdiagnostik betreiben und den Patient*innen somit die bestmögliche Therapie anbieten. 

Wie würde so ein Fall in der Praxis ablaufen?

Wir können nun bereits in der Akutversorgung der Ambulanzen ein Point-of-Care-Testing, also eine patientennahe Labordiagnostik, durchführen und damit eine schnelle, zeitnahe Infektionsdiagnose erstellen. Das bedeutet praktisch, dass wir in rund 30 Minuten wissen, ob es sich beispielsweise um eine SARS-CoV-2-, RSV- Influenza- oder sonstige Infektion handelt. Dadurch können wir die Patient*innen von Anfang an infektiologisch angemessen managen. Wenn eine stationäre Aufnahme nötig wird, sollen die Notfallmediziner*innen nicht mehr herumtelefonieren müssen, um für die Person ein freies Bett in der richtigen Abteilung zu finden. Wir haben also mit dem neuen interdisziplinären Zentrum für Infektionsmedizin und Mikrobiologie die Organisationsstruktur geändert, um den Patient*innen einen schnelleren Zugang zur bestmöglichen Therapie zu bieten. 

Gibt es noch weitere Schwerpunkte?

Neben den bereits erwähnten Spezialambulanzen für Infektionsmedizin und der Infektionsmedizinischen Diagnostik bieten wir eine konsolidierte Krankenhaushygiene und Infektionskontrolle sowie einen Infektionsmedizinischen Konsiliardienst an, für den wir in jeder Abteilung unserer beiden Standorte iZIM- Ansprechpartner bereitgestellt haben. Wir haben damit sozusagen unser Team erweitert. Außerdem haben wir ein infektiologisches Board für Patient*innen mit einem unklaren Krankheitsgeschehen eingerichtet, das durch den Austausch von Ärztinnen und Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen über die bestmögliche Therapie berät.

"Corona hat wie ein Booster gewirkt und unserer Planung einen richtigen Schub verpasst."

Antibiotikaresistenzen sind mittlerweile ein großes klinisches Problem. Wie gehen Sie damit um?

Dazu haben wir als weiteren Schwerpunkt Antimicrobial Stewardship, ABS, in unserem Konzept aufgenommen. Es ist ein koordiniertes Programm, das den angemessenen und sinnvollen Einsatz von antimikrobiellen Mitteln einschließlich Antibiotika fördert. Ziel ist es, nicht nur die Ergebnisse für Patient*innen zu verbessern, sondern auch die mikrobielle Resistenz zu verringern und gleichzeitig die Ausbreitung von Infektionen, die durch multiresistente Organismen verursacht werden, einzuschränken. Als nationales Referenzzentrum untersuchen wir zudem im Auftrag des Ministeriums Bakterienstämme, die wir aus ganz Österreich zugeschickt bekommen, auf unübliche Antibiotikaresistenzmechanismen.

Der Aufbau des interdisziplinären Zentrums für Infektionsmedizin und Mikrobiologie war bereits vor der Pandemie in Planung. Wie hat Corona das Konzept beeinflusst?

Corona hat wie ein Booster gewirkt und unserer Planung einen richtigen Schub verpasst. Wir haben recht schnell ein skalierbares Bettenkonzept etabliert, um auf die Situationen der Pandemie, wie wir sie gehabt haben, reagieren zu können. Viele Erkenntnisse aus den vergangenen Jahren sind in das Konzept miteingeflossen. Nachdem wir an beiden Standorten aufgrund des onkologischen Schwerpunkts immungeschwächte Patient*innen betreuen, war die logische Konsequenz, unsere Aktivitäten rund um die Infektiologie zentral zu organisieren. Wir haben daher lange an der optimalen Struktur gefeilt und setzen nun das Konzept in die Praxis um.

Warum wird die Infektionsmedizin in Zukunft an Bedeutung zunehmen?

Sie war meiner Ansicht nach schon immer wichtig, nur ist sie in den letzten Jahren vor allem aufgrund der Corona-Pandemie verstärkt in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten. Nach Herz-Kreislauf- und Tumorerkrankungen machen Infektionen die dritthäufigste Todesursache aus. Vielen Menschen war das bisher nicht bewusst.

Wo liegen die zukünftigen Innovationen in der Infektiologie?

Wir sehen diese in einer rascheren Diagnostik durch fortschreitende technische Innovationen. Ganz wesentlich ist aber auch eine dementsprechende Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte, damit beispielsweise Testergebnisse korrekt interpretiert werden. Letztlich ist die Infektiologie eine fächerübergreifende Disziplin, die sich mit dem Verlauf und den Auswirkungen von Erkrankungen durch Mikroorganismen beschäftigt, und dazu zählt weit mehr als lediglich das Produzieren oder Ablesen von Testergebnissen. 

Interview: Rosi Dorudi; Fotos: Ordensklinikum Linz

Petra Apfalter, Prim.a Univ.-Prof.in Dr.in

Leiterin des interdisziplinären Zentrums für Infektionsmedizin und Mikrobiologie (iZIM), Leiterin des Instituts für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin am Ordensklinikum Linz Elisabethin

In Linz geboren, studierte Apfalter an der Medizinischen Universität Wien. Nach Auslandsaufenthalten in London und den USA habilitierte sie 2003 in Wien. Seit 2014 ist sie Mitglied des Obersten Sanitätsrates sowie Autorin und Reviewerin zahlreicher nationaler und internationaler Journale.

Haben Ihnen diese Artikel gefallen?

Erhalten Sie regelmäßig alle relevanten Nachrichten aus dem österreichischen Gesundheitswesen.