Für Sie gelesen: Informationsportal Wechselweise
Die Plattform www.wechselweise.net ist ein Online-Treffpunkt von Frauen vor, während und nach der Menopause. Hier finden sie Information und Beratung rund um die Lebensmitte und Tipps von Expert*innen zu Symptomen und Therapien. Tabus sind tabu – über die Wechseljahre wird in aller Offenheit geschrieben, beraten und gesprochen.
Die Gründerin und Geschäftsführerin des Portals www.wechselweise.net Dr. Veronika Pelikan leitete zehn Jahre das Frauenmagazin Wienerin. Doch über die Wechseljahre wusste sie wenig, bis sie selbst betroffen war. Mit INGO spricht die Unternehmerin über ihre eigenen Erfahrungen und ihre Motivation, anderen Frauen umfassende Informationen zum Thema anzubieten.
Was waren Ihre ersten Symptome?
Veronika Pelikan: Ein unregelmäßiger Zyklus. Mein damaliger Gynäkologe meinte: „Wenn man älter wird, ist das oft so.“ Und verschrieb Progesteron. Die Wechseljahre hatte ich nicht auf dem Radar. Es war heftig: Gefühlt litt ich ewig unter PMS. Aber mein Kopf war voller Karrieredinge. Meine letzte Periode hatte ich rund um den Tod meiner Mutter. Ich war wahnsinnig betrübt und schob es auf die Trauer. Nach zwei Jahren keine Besserung – ein grauer Schleier lag über allem. Dann bekam ich Gelenksschmerzen und begann die Recherche über Hormone.
Wer konnte helfen?
Pelikan: Mein Gynäkologe Dr. Matthai. Meine Großmutter hatte Brustkrebs, also machte er bei mir einen Gentest, um auszuschließen, dass ich ein bestimmtes Gen habe. Dann verschrieb er Hormone, und ich hatte mein Leben zurück.
Weniger Aufgeklärte werden mit Floskeln abgespeist.
Pelikan: Viele Gynäkolog*innen sagen: „Sie sind zu jung für Wechseljahre.“ Oder: „Da müssen Sie durch!“ Außerdem fühlt sich niemand zuständig: Hausärzt*innen verweisen auf Gynäkolog*innen. Rheumatolog*innen denken nicht an Östrogenmangel. Und Neurolog*innen übersehen, dass vieles Hormon-induziert ist. Das Thema ist interdisziplinär. In 100 Jahren wird man auf uns wie die Steinzeit zurückblicken.
„Viele erfinden sich mit 50 neu. Nach Kindern und Karriere können wir alles tun und der Welt viel schenken.“
Wie kann das sein?
Pelikan: Der weibliche Körper ist ein Tabu: von der Pubertät über erste Periode und Geburt bis zum Ende der Fruchtbarkeit. Früher wurden viele Frauen keine 50 – das Problem Wechseljahre gab es nicht. Jetzt haben wir eine Lebenserwartung von über 80. Wir verbringen 30 Jahre oder mehr post-menopausal. Nun ist die Generation X in dem Alter Wir haben nie gelernt, den Mund zu halten und bescheiden zu leiden. Wir machen Lärm.
Sie veranstalten den MenoDay. Hat Sie der Erfolg überrascht?
Pelikan: Ja. Beim ersten Event im Herbst 2023 im Palais Niederösterreich wurden wir gestürmt. Um punkt neun standen 700 Frauen vor der Tür. Die Schlange reichte bis zur Herrengasse. Prof. Johannes Huber hielt einen Vortrag und meinte: „Alle sollten zum AKH marschieren und bessere Aufklärung über die Wechseljahre fordern.“ Nun erreichen wir 100.000 Leserinnen pro Monat und wachsen weiter. Denn fast ein Viertel aller Frauen in Österreich ist in den Wechseljahren.
Aufklärung ist aber Mangelware.
Pelikan: Leider. In der Planungsphase für das Portal traf ich im Supermarkt eine Bekannte. Sie erzählte mir vor dem Tiefkühlregal eine halbe Stunde ihre Geschichte: Dass sie nicht mehr schlafen kann, nervös ist, ihr Mann spinnt und sie keiner versteht. Ich war die erste, mir der sie darüber sprechen konnte.
Die Menopause ist ein Tabu.
Pelikan: Ja. Wenn einer Frau in Führungsposition im Meeting der Schweiß aus allen Poren rinnt, müsste es normal sein zu sagen: „Entschuldigung, ich bin im Wechsel und brauche fünf Minuten Pause, um mich frisch zu machen.“ Doch so weit sind wir nicht. Das ist peinlich. Vor allem in produzierenden Betrieben mit vielen Männern kommen depperte Witze. Es braucht Bewusstseinsbildung, damit Frauen nicht Arbeitszeit reduzieren oder kündigen müssen. Denn zwei Drittel haben teils heftige Beschwerden: bis zu 30 Hitzewallungen am Tag, Schlafmangel, Harnwegsinfekte und das Gefühl von Ameisen unter der Haut. Wenn sie depressive Verstimmungen nicht einordnen können, bekommen sie Psychopharmaka oder Betablocker. Doch die machen nichts besser. Falschdiagnosen schaden. Scheidentrockenheit trauen sich viele gar nicht aussprechen. Das gehört enttabuisiert und behandelt: mit bioidenten Hormonen.
Interview: Karin Lehner
Foto: Wechselweise-Gründerin Veronika Pelikan und das Wechselweise-Team beim MenoDay © Katharina Schiffl