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Gesundheit
Österreich
28.08.2024

Für Sie gelesen: Positive Alternspsychologie

Der beispiellose Anstieg der Lebenserwartung hat den Menschen in den wohlhabenden Regionen der Erde ein drittes Lebensalter geschenkt: Die Jahre vom Beginn des Rückzugs vom Arbeitsleben bis zum Beginn schwerer körperlicher und geistiger Gebrechen. Die Daten von Statistik Austria zeigen etwa elf Jahre in „mittelmäßiger Gesundheit“ nach etwa 63 Jahren in voller Frische. Landläufig wird diese Zeit so interpretiert, als ginge es nur um den langsamen Verfall hin zum unvermeidlichen Ende, dem Tod. Professor Dr. Hans-Werner Wahl zerstört dieses Bild gehörig. In seinem Buch „Positive Alternspsychologie“ zeichnet der Psychologe und Direktor des Netzwerks Alternsforschung der Universität Heidelberg ein ganz anderes Bild der Lebensjahre des „Dritten Alters“. Er sieht darin eine große Zeit der Freiheit. Die Kinder sind groß und aus dem Haus. Man hat sich alles geschaffen, was man zum Leben braucht – Wohnung, Geld, Auto. Und hat eine lange Zeit der bequemen Lebendigkeit vor sich.

Wahl schreibt, in der Zeit des beschwerdearmen „Dritten Alters“ gebe es eine Gleichzeitigkeit von Verlusten, Stabilitäten – und sogar Gewinnen: „Ältere werdende Menschen brauchen nicht all ihre Energie für ein möglichst langes und möglichst gutes Leben auf, sonders da bleibt noch was übrig – für das eigene Persönlichkeitswachstum, für andere, für die Gesellschaft, für nachfolgende Generationen, für die kommende Welt.“

Hans-Werner Wahl hat tausende Studien zum Thema Altern durchforscht. Das Literaturverzeichnis in „Positive Alternspsychologie“ füllt allein acht Seiten. Sein Ziel, sagt Wahl, war ein ausführlicher „Realitätscheck anhand vorliegender Daten“, ein „tentatives Gesamtbild der menschlichen Stärken der zweiten Lebenshälfte“. 

Er identifiziert sechs „Stärken der zweiten Lebenshälfte“:

  • Selbstregulation und Mäßigung
  • Humanität und Sorge für die Mitwelt
  • Lebenswissen und Lebensklugheit
  • Mut in herausfordernden Situationen
  • Gerechtigkeit, gutes Urteilen und Interessensausgleich
  • Generativität und Transzendenz

Natürlich bleibt auch Hans-Werner Wahl nicht verborgen, dass es im frühen Alter langsam bergab geht. Er will aber herausgefunden haben, dass Menschen in dieser Zeit drei Strategien entwickeln, die dem entgegenwirken: Selektion auf wenige Ziele, Optimierung von Ressourcen und Handlungsweisen, Kompensation durch das Nutzen von Hilfsmitteln.

Hans-Werner Wahls Buch liest sich dank einer vielfältigen Gliederung in „Forschungshäuser“ mit „Forschungszimmern“ recht flott. So gelingt es ihm, auf nur 150 Seiten einen weiten Bogen zu spannen. Kurze zusammenfassende Wiederholungen bringen das Gelesene noch einmal ins Bild.

Dem Autor dieser Zeilen – Jahrgang 1946, also 78 Jahre alt – hat dieses Buch einen neuen Blick auf die positiven Seiten seines Lebensalters gegeben. Mit Hörgerät und Augenlinsen „by Zeiss“ weiter voll dabei sein zu können; mit einem E-Bike, dem keine Steigung zu steil ist; mit viel Zeit, nachzuholen, was einem an Literatur in hektischen Berufsjahren entgangen ist; mit der Freude daran, zu beobachten, wie die Kinder sich an der Uni rüsten für ihr Erwachsenen-Leben…

Text: Josef Broukal

Hans-Werner Wahl: Positive Alternspsychologie. Die Stärken der zweiten Lebenshälfte. Bletz Juventa 2024, 162 Seiten, ISBN: 9783779980179

 

 

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